Dienstag, 27. Oktober 2009

Menschenfleischskulpturen, unmotivierte Cheerleader und Depressionen im Buchladen

Vor ein paar Tagen war ich im Kino, in "I come with the Rain" mit Josh Hartnett. Konnte ich mir natuerlich nicht entgehen lassen. Der Film ist nichts fuer schwache Gemueter, sehr verwirrend, brutal, psycho und zeitweise echt eklig. Aber dafuer ist Josh Hartnett die meiste Zeit ueber nur wenig bekleidet. Ausserdem ist der Film ist sehr aesthetisch gedreht und der Soundtrack (von Radiohead) grossartig atmosphaerisch. Hartnett spielt einen Expolizisten, der einen kleinen Knacks hat, seit er einen Serienmoerder gefasst hat, der aus Menschen Skulpturen formt (das ist besonders appetitlich anzusehen). Er wird von einem Pharmaboss beauftragt seinen Sohn zu finden, der seit einiger Zeit verschwunden ist. Ueber die Philippinen fuehrt seine Suche nach Hong Kong. Dort gehen irgendwelche dubiosen Dinge vor sich, es gibt einen Typen, der Menschen heilen kann und am Ende gibt's eine Menge Bibelanspielungen. Lukas und ich haben es nicht hundertpro verstanden (und ich bezweifle auch, dass es da so viel zu verstehen gibt), aber der Film lohnt sich trotzdem. Dass er in Deutschland ins Kino kommt, halte ich allerdings fuer fraglich. Hier ist der Trailer.

Was langsam nervt: Vor dem Kino wollte wir noch was trinken, hatten ein nettes Lokal ausgemacht, die Karte ansatzweise verstanden und zwei Bier bestellt. Und dann hiess es, es gibt nur was zu trinken, wenn wir auch was essen. Argh. Diese Erfahrung habe ich jetzt schon oefter gemacht - ich muss mal rausfinden, woran man erkennt, dass man in einem Lokal essen muss. Stattdessen haben wir dann einen Tee getrunken. Toll.

Mit meiner Kollegin Hyunwoo und drei Deutschen war ich bei einem Basketballspiel. SK Seoul Knights gegen LG Irgendwas. So richtig abgegangen ist es nicht, bis auf ein paar "Defence"-Rufe und ein paar halbherzige Anfeuerungsgesaenge war nicht viel zu hoeren, die Cheerleader haben mich auch nicht ueberzeugt. Dafuer ist zweimal eine Girlgroup aufgetreten und vor dem Spiel gab's recht viel Rambazamba mit Lasershhow. Hyunwoo hat lustigerweise beide Teams angefeuert.

Vor ein paar Tagen packte mich das akute Verlangen nach der Lektuere einer Zeitschrift. Uebergluecklich war ich, als ich bei mir um die Ecke einen Laden mit englischen Zeitschriften entdeckte. Nicht mehr ganz so enthusiastisch dann, als mir der Preis genannt wurde: 22.000 Won. Das klingt nicht nur viel, sondern ist es auch. (Wie viel koennt ihr selbst ausrechnen, mir ist es zu peinlich das hier bekannt zu geben.) Das Schlimme: Ich habe gezahlt. Von dieser InStyle werde ich nicht nur jedes Wort (inklusive der Anzeigentexte) lesen, nein, ich werde jedes Wort zweimal lesen und danach die Waende meines Zimmers damit tapezieren, damit sich die Ausgabe gelohnt hat! Inzwischen war ich in einem Laden, in dem es aeltere Zeitschriften zu deutlich moderateren Preise gibt. Was mich jedoch traurig stimmt: Es gibt hier so tolle Buchlaeden, mit schoenen Buechern und (dem Cover nach zu urteilen) einer Vielzahl vielversprechender Magazine (nicht nur aus dem Bereich Mode, wobei eine wahnsinnig dicke Vogue fuer drei Euro mich schon anspricht). Und ich verstehe kein Wort davon. Fuer einen ausgemachten Printfan die reinste Tortur! Fotos hier.

Korea kulinarisch

In verschiedenen Beitraegen habe ich ja schon ein wenig ueber das Essen geschrieben. Hier nun ein etwas umfassender Ueberblick zu dem, was ich bisher von der koreanischen Kueche kennengelernt habe. Zwei Dinge sind essentiell: Reis, Reis, Reis und Kimchi, Kimchi, Kimchi. Was der Kimchi-Hype soll, versteht kein Deutscher - es schmeckt meiner Meinung nach zwar nicht wirklich schlecht, aber definitiv auch nicht richtig gut. Ich frage mich, ob es etwas Vergleichbares gibt, das wir Deutsche staendig essen. Und was den Reis angeht: Den finde ich zwar okay, aber als absoluter Nudelfan kann ich darueber nicht gerade in Begeisterungsstuerme ausbrechen.

Was ich nicht verstehen kann ist, wie man das koreanische Essen pauschal als eklig bezeichnen kann, denn es gibt eine Vielzahl richtig leckerer Gerichte. Mein Favorit ist Kimbap - koreanisches Sushi mit verschiedenen Fuellungen (zum Beispiel Gemuese, Kaese, Thunfisch oder Schinken). Das kann man auch gut im Supermarkt kaufen und als Snack zwischendurch essen. Ebenfalls sehr gut sind Mandu - die koreanischen Maultaschen, die es auch mit unterschiedlichen Fuellungen gibt und die man gut in einer Suppe essen kann (dann heißt es Manduguk). Suppen werden hier ohnehin geliebt und immer kochend heiss serviert. Ich esse natuerlich gerne Nudelsuppe oder auch Bulgogisuppe. Bulgogi ist suessmariniertes Rindfleisch und schmeckt sehr lecker. Zur Suppe isst man - was sonst - Reis. Ganz gross ist auch koreanisches Barbecue, bei dem man Fleischstuecke am Tisch grillt und dann mit diversen Beilagen in Salatblaetter einrollt. Nicht so ganz mein Geschmack sind Bibimbap, Kimchi, Tofusachen und einige der Beilagen (oft unidentifizierbares, algenartiges Gemuese). Auch das Essen im Hasook ist nicht so spitze. Oft gibt es hier auch Gerichte mit Seafood - da sagen mir vor allem die Muscheln und Tintenfische nicht gerade zu.

Allgemein ist das Essen immer recht schnell auf dem Tisch, sehr heiss, mal scharf, mal nicht so sehr und selten salzig. Suess-sauer, wie ich dachte und was ich liebe, ist es nicht. Wer was zu essen vor sich stehen hat, faengt direkt an. Wasser steht gratis auf dem Tisch. In einer Hand haelt man die Staebchen, in der anderen einen Loeffel. Das ist eigentlich sehr praktisch. Suppen und Nudeln darf man, mit krummem Ruecken ueber seine Schuessel gebeugt schluerfen und ab und zu wird geschmatzt. Nachtisch gibt es - leider leider - nicht wirklich. Gezahlt wird am Ausgang und wenn moeglich gemeinsam.

An Strassenstaenden gibt es unzaehlige Snacks. Von Mandu ueber fritierte Hotdogs sowie andere dubiose Wuerste, diverse Spiesse aus Fleisch oder Fisch, mit Ei gebratenes Gemuese hin zu Waffeln mit Sahne und einer Art Marmelade. Der Fokus liegt hier jedoch eindeutig auf herzhaften Sachen. Suesses bekommt man vor allem in westlichen Franchiseketten wie Starbucks, Dunkin Donut, Paris Baguette und Co. Kleine individuelle Cafes gibt es leider selten (habe ich bisher nur in Hongdae gesichtet).

Insgesamt kann man wohl sagen, dass die Koreaner ziemlich traditionell essen, was man von uns Deutschen ja nicht gerade behaupten kann. Nach drei Wochen in Korea waechst die Sehnsucht nach meinem ueblichen Multikultiessen. Vor allem ein paar Nudeln, die nicht in irgendeiner Suppe schwimmen, waeren ganz fantastisch. Inzwischen habe ich auch kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich "westliches Essen" esse und fuehle mich dadurch nicht unauthentisch. In Deutschland esse ich ja schliesslich auch selten wirklich "deutsch". Das ein oder andere wird wohl zu einem neuen Lieblingsgericht werden, aber auf Dauer nur Koreanisch essen koennte ich nicht.

Ausflug nach Gyeongju oder "Kimchi kann mich mal"

An einem Samstagmorgen um 05.30 Uhr aufzustehen, sieht mir nicht gerade aehnlich, war aber leider noetig, da wir am Wochenende mit ein paar Leuten in die historische Stadt Gyeongju gefahren sind und das mit dem Express Bus vier Stunden dauert. Uebernachtet haben wir dort bei einer koreanischen Familie im Haus, war wirklich sehr nett war. Die Leute waren ueberaus herzlich und sie hatten ein Waschbecken im Bad. Ich war im siebten Himmel! Lediglich die Tatsache, dass wir nur durch duenne Decken gepolstert auf dem Holzboden schlafen mussten, war nicht ganz so angenehm. (Na ja, ehrlich gesagt habe ich auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen, hehe.)

Nachdem unsere Gastgeber uns Tee aus Blueten serviert hatten, gingen wir essen. Da es das einzige war, was wir von der Karte entziffern konnten, haben wir alle Bibimbap bestellt, also Reis mit Gemuese und einem Spiegelei - das alles mischt man mit einer scharfen Paste durcheinander. Schmeckt okay, aber mein Lieblingsessen ist es nicht gerade. Danach ging es zum Bulguksa Tempel. Unesco Weltkulturerbe. Schoen anzusehen, aber leider hoffnungslos ueberlaufen. Dann Kaffee in der Stadt und ein Gipfelbier auf einem Huegelgrab. (Dass es ein Grab war, wurde uns erst so richtig bewusst, als wir schon oben standen. Aber die Aussicht war toll und der Shilla-Koenig, der da unten lag, moege es uns verzeihen.)

Auf dem Huegel trafen wir einen amerikanischen Englischlehrer aus Seoul, der uns die Phrase "TIK - This is Korea" beibrachte. Kann man gut leise vor sich hinmurmeln, wenn mal wieder etwas nicht versteht, was in Korea vor sich geht. Spaeter am Abend betraten wir - mit Soju und Bier ausgestattet - eine Norebang (Karaokebar). Man bekommt dort einen separaten Raum und kann nach Herzenslust singen. Von Dr. Dre ueber Aerosmith bis zu Mika haben wir das auch ausfuehrlich getan. Memo an alle: Mir sollte man kein Mikrofon geben. Ich lasse es nicht mehr los. Waehrend Jessika, Julia, Irina und Verena schon nach einer Stunde genug hatten und nach Hause gefahren sind, konnten Lucas, Michael, Stefan und ich gar nicht genug kriegen. Aber wir hatten ja auch nicht das ehrgeizige Ziel am naechsten Morgen rechtzeitig zum Marathon-Sightseeing-Bus zu kommen.

Morgens hat unsere "Gastmami" uns zum Fruehstueck erstmal wieder Bibimbap gemacht. Eine echte Herausforderung fuer westliche Maegen, wenn man sich eigentlich nach Broetchen mit Erdbeermarmelade und einem Milchkaffee sehnt. Zum Glueck hat sich die Aufmerksamkeit der Mami vor allem auf die Jungs gerichtet, die alle Zutaten in ihre Schuesseln schaufeln mussten, waehrend ich mit ein bisschen Reis und dem Spiegelei davon kam. Hut ab vor jedem, der morgens Kimchi runterkriegt! Mir hat schon der Gedanke daran, die Lust auf koreanisches Essen fuer den Rest der Tages verdorben. Zum ersten Mal seit ich hier bin, habe ich eine richtige Abneigung dagegen verspuert. Ich wollte die Woerter Bibimbap und Kimchi nie wieder hoeren.

Waehrend die ehrgeizige Gruppe mit dem Taxi zu allen wichtigen Sehenswuerdigkeiten in Gyeongju gefahren ist, hat es unsere Truppe nur zu Fuss zu einem Museum ueber traditionelle Shillakultur (die hatten ein paar echt huebsche Ohrringe, Vasen und witzige Figuren damals!) und in einen Park mit weiteren Tempeln geschafft. Dafuer haben wir einen ordentlichen Marsch durch den Wald hingelegt und einige Ecken der Stadt gesehen. (Und WIR waren in der "Energy Hall" :-) Fotos gibt’s hier.

Montag, 26. Oktober 2009

Lost in Yeouido

Wer hätte das gedacht: Ich vermisse das Fahrradfahren, Spazierengehen im Park und mal einen ruhigen Moment. Keine Ahnung ob Köln eine grüne Stadt ist, aber Seoul ist definitiv keine (überraschend!). Drei Minuten zum Aachener Weiher und mal eben eine Runde gehen ist hier nicht. Und sitzt man dann auf einem schönen Platzt auf einer Bank und will die Sonne genießen, schallt aus Lautsprechechern K-Pop (und ich kann inzwischen mitsingen ...). Warum?!?

Letzte Woche hat mich das ein klein wenig fertig gemacht und so ging ich nach der Arbeit auf Parktour. Ich musste zwar ein bisschen Busfahren in Kauf nehmen, aber dafür roch es im Namsan Park fast nach Wald. Und den Straßenlärm hat man kaum noch gehört. An einem anderen Tag wollte ich Wasser sehen und einen "Pleasure Cruise" auf dem Han River unternehmen. Der Trip geriet zur Odysee durch Yeouido, ich habe mich mehrfach verlaufen (siehe Karte), die Leute, die ich angesprochen habe konnten entweder kein Englisch (und haben auch meine wilden Wassergesten komischerweise nicht verstanden) oder behauptet der Fluss sei gar nicht in der Nähe. Von Schildern hält man hier nicht so viel (oder ich bin zu blöd, um sie zu sehen) und der kleine, aber durchaus wichtige Unterschied zwischen dem „Yeouido Park“ und dem „Yeouido Ecological Park“, hätte mich beinahe in den Wahnsinn getrieben.




Ich ließ mich jedoch nicht entmutigen und habe es schließlich zum Fluss geschafft. Ufer super ausgebaut (da könnte man gut mal Radfahren), Leute: Fehlanzeige. Trotz strahlendem Sonnenschein. Egal, etwas fertig erreichte ich endlich mein Schiff (in "Fluch der Karibik" Thematik) und wir legten ab. Die Sonne ging über dem Han River unter und die Lichter fingen an zu glitzern. Großartig. Während ich wie eine Wahnsinnige das Panorama knipste, fotografierten sich zwei Koreanerinnen die ganze Zeit gegenseitig. Es war toll.

Important Doery

Ich habe hier Visitenkarten, also muss ich wichtig sein. (Oder es ist einfach so, dass man in Korea sehr gerne Visitenkarten austauscht. Was die mit meiner Karte anfangen wollen, weiß ich natürlich nicht, aber immerhin kann man so schnell die Namensfrage klären.) Und ab und zu darf ich mir mein bestes Businessoutfit anziehen, zu einer Veranstaltung gehen und meine Karten unters Volk bringen. Bisher war ich beim einem wissenschaftlichen Gesprächskreis zum Thema Deutsch-Koreanische Wissenschaftsbeziehungen im Goethe-Institut und bei einer Konferenz des deutsch-koreanischen Alumni-Netzwerks ADeKo zum Thema "Wege in die fortschrittliche Gesellschaft" (da gab's Spannendes zur Presse- und Meinungsfreiheit im Zeitalter der Massenmedien und Langweiliges zu Finanzkram wie Devisen und Swaps ... ehm what?).

Interessant sind diese Veranstaltungen vor allem auch wegen des Essens: Im Goethe-Institut gab's "deutsche Brötchen" und im Hilton neben vielen anderen leckeren Sachen (wie Lasagne und Sauerkraut) ganz fantastische White Chocolate Macadamia Nut Cookies (besser als die von Subway, Lisa!). Die Chancen stehen nicht schlecht, dass ich an dem Tag spontan Diabetes bekommen habe. Mir unbegrenzten Zugang zu so leckerem Gebäck zu ermöglichen ist grob fahrlässig.

Außerdem war ich auf der "Low Carbon, Green Growth" Messe. Da war zwar leider Vieles auf Koreanisch, aber dafür habe ich aus recycelten TetraPaks eine Postkarte gebastelt (jippieh) und weil ich so eine nette Deutsche bin auch noch zwei Taschen mit der Aufschrift "Everyday Earthday" geschenkt bekommen. ("You are a special person here." Na klar.) Kommt mir als Neuöko natürlich sehr gelegen. Die Farbe, mit der sie bemalt sind, wird übrigens in Deutschland hergestellt und man könnte sie essen, wenn man den wollte, wie mir der Professor des Studiengangs "Green Design" erzählte, der sie angefertigt hat. Ich wollte nicht und musste auch zum Glück nicht (hier kann man ja nie wissen!). Außerdem gab's noch einige schicke Ökoprodukte und ein paar angsteinflößende Maschinen, die werweisswas angestellen können. Ich habe mich natürlich die ganze Zeit vorbildlich verhalten, was dazu geführt hat, dass der eine Typ von Green-Design-Stand mir nun eine E-Mail geschrieben hat. Darin steht: „Your good manner I saw gived good feeling about Germany.“ Könnt ihr mal sehen. Er möchte mein Freund werden.

Montag, 19. Oktober 2009

Beijing Calling*

Die Horizonterweiterung geht weiter! Vom 01. bis zum 08. November werde ich Sebastian in Peking besuchen. Sein Blog lässt spannende Erlebnisse erwarten! Und ich muss da auch ganz sicher nicht auf Reis verzichten. Bien.

* Darf man dieses Calling-Ding eigentlich noch schreiben oder ist das hoffnungslos overdone?

Party hard, Muh harder

Regen in Seoul! Ist das zu fassen? Nachdem mir hier quasi zwei Wochen Sonnenschein und blauer Himmel beschienen waren, kann man jetzt auch mal nass werden. Ist zwar angeblich ungewöhnlich, aber das nützt mir auch nichts (umso schlimmer!). Wobei mir der neue Wind ziemlich gut gefällt – meine nordische Seite braucht halt ab und zu eine steife Brise. Und irgendwie reagiert mein Körper auch recht angetan auf die (etwas!) kälteren Temperaturen – meiner inneren Uhr ist wohl auch nach Herbst zumute. Heute Nacht hat es allerdings so laut gewittert, als würde die Welt untergehen. Krissi, das wär nichts für dich gewesen! ☺

Aber genug vom Wetter! Ein Thema, das euch interessieren dürfte: Nachtleben in Seoul. Inzwischen habe ich einige Bars gesehen – je nachdem in welchem Viertel man ist, gilt da ein proportionaler Zusammenhang zwischen stilvoller Einrichtung und dem Preis. (Durchaus ja nicht ungewöhnlich. Was mich wundert ist die Diskrepanz zwischen der geschmackvollen Kleidung der Koreaner und der geschmacklosen Ausstattung von Handyläden und eben auch Bars.) Das muss aber nicht heißen, dass Preis und Sprachkenntnisse ebenso korreliert sind. (Ich weiß auch nicht, was diese Mathebegriffe sollen, entschuldigt das.) Das beste Erlebnis hatten wir in einer schicken Bar in Gangnam. Da kam der Kellner mit einem kleinen Sprachcomputer an, auf dessen Display „A Glancing Blow“ stand. Naturgemäß konnten wir damit nicht wirklich viel anfangen. Also versuchte es der Kellner mit: „A Straight Shot“. Was zwar nicht für mehr Klarheit bei uns sorgte, aber definitiv für ein Mehr an Heiterkeit. Unsere ausgesprochene Ausgelassenheit ist hier dokumentiert. Schließlich löste sich das Rätsel auf (wie so oft) – beim dritten Versuch stand „Pay in Advance“ auf dem Display. Ehhh, ja.



Außerdem habe ich schon einen Wein im obersten Stock eines Hochhauses, mit Blick auf die Lichter von Downtown Seoul, genossen und ein Bierchen am künstlichen Flusslauf getrunken. (Besser? Der Fluss natürlich!) Letzten Freitag war ich endlich mal ausgiebig Soju trinken. Das ist hier eine Art Nationalschnaps. (Mehr Gedanken dazu gemacht hat sich Michael. Wobei man vermuten kann, dass er ein wenig übertreibt!) Ich war mit Lukas, der zufällig gebürtiger Meerbuscher und auch noch FC-Fan ist (auch wenn er nur eine Woche in MB und niemals in Köln gewohnt hat) und Seung Jae, einem Koreaner, in einem richtig netten kleinen Kellerlokal, mit vollgekritzelten Wänden und unverschämt günstigen Essen und Soju. Den haben wir mit Sprite gemischt, was Seung Jae nicht so witzig fand – er wollte eigentlich überhaupt nicht so viel trinken, aber wir kannten kein Pardon! Trotzdem hat er uns beigebracht, was Prost heißt (zumindest eine der tausend Varianten), nämlich Wii Ha Jo. Nach zehnmaliger Nachfrage konnte ich mir das auch endlich merken. (Mehr Fotos hier.)



Danach ging es weiter in einen Club namens IO, in dem man sich die Schuhe ausziehen musste und zumindest ich mich gefühlt habe wie im Inneren eines Pilzes. Leider hatte ich keine Lust viele Fotos zu machen, vielleicht könnt ihr es dennoch erahnen. Der obligatorische Gin Tonic hat so an die 6.000 Won gekostet (also ca. 3,50 €), da kann man nicht meckern. Getanzt wurde dann auch auf Socken zu House und Electro, der aus uns unerfindlichen Gründen immer wieder unterbrochen wurde und nach merkwürdigen „Muuuuuuuhhhh“-Geräuschen wieder einsetzte. Hatte was von Reise nach Jerusalem. Weiß nicht, ob das ein koreanisches Ding oder nur eine Spezialität des DJs ist, aber ich bleibe dran. Im Anschluss waren wir noch Kimbap (koreanisches Sushi) und Nudelsuppe essen – das kann irgendwie mehr als Döner und Burger! – und dann konnte ich sogar nach Hause laufen. In meinen eigenen Schuhen, muss ich sagen, denn nicht jeder hatte so viel Glück: Lucas hat (möglicherweise bedingt durch eigene Verwirrung, aber nur teilschuldig) im IO seine ausgetretenen Schuhe durch neue ersetzen können, weil jemand offensichtlich Lucas’ Schuhe besser fand und sie mit nach Hause genommen hat. Nächstes Mal versuche ich auch so einen Trick!

Nicht schlecht, die Aussicht!

Nee, eine schlechte Aussicht hatten wir wirklich nicht, als wir letzten Sonntag unsere Wanderstiefel geschnürt, einen Apfel eingepackt und uns auf den Weg zum Bukhasan National Park gemacht haben. Irgendwie sind wir zwar nicht da gelandet, wo wir hin wollten („In Seoul kann man sich nicht verlaufen. Man kann nur woanders landen, als da wo man eigentlich hin wollte.“) und mussten beim Aufstieg ordentlich schwitzen, aber dafür wurden uns unglaubliche Sichten auf Seoul beschienen. Auf dem Gipfel zu stehen und auf die Stadt zu gucken, die sich zwischen die Berge schmiegt, die Hochhäuser winzig unter dem unendlichen Himmel, in der Ferne erst der Han-River und dann das Meer – das Gefühl und den Blick kann man weder wirklich beschreiben noch fotografieren. Versuche findet ihr hier, aber ich fürchte, um es zu verstehen, müsst ihr selber hin! Apropos Apfel, naiv wie wir sind, waren wir felsenfest davon ausgegangen auf dem Gipfel Restaurants vorzufinden, schließlich gibt es hier ja an jeder Ecke was zu essen. War nicht so und so mussten wir neidisch die Koreaner anstarren, die mit ihren Picknicks im Gras saßen und sich gütlich taten.



Na ja, dafür haben wir uns am bunt verfärbten Laub satt gesehen, vor allem Martin, der vor Freude über die Natur fast ausgerastet wäre („Ist das edel! Diese Farben! So einen Baum habe ich noch nie gesehen!"). Mit jugendlicher Energie ist er die steilsten Felsplatten hochgesprungen („wie eine Wüstenraupe ...“) und konnte nicht aufhören Fotos zu schießen während wir Älteren damit beschäftigt waren uns am Geländer festzuhalten, um nicht ausversehen über die nicht befestigten und eingezäunten Klippen zu rutschen. Der Weg ins Tal gestaltete sich etwas schwierig, um wieder nach Seoul zu kommen, mussten wir diverse kleinere Gipfel erklimmen und wieder runtersteigen, so dass wir mit leicht zitternden Knien unten ankamen. Dafür hat dann das koreanische Barbecue umso besser geschmeckt!

Kuriose Kleinigkeiten

„This stop is: Weddingtown“ – Sie habe eine eigene Straße NUR mit Brautkleiderläden hier. Traditionell und farbenfroh koreanisch, westliches Weiß und wenig empfehlenswert Kreuzungen aus beiden Welten.

Alles so billig hier – aber Florians These, dass das nur zu noch mehr Ausgaben führt, scheint auch auf mich zuzutreffen. Ich könnte diese 10.000 Won-Noten auch gleich verbrennen!

Immer noch keine Mülleimer gesichtet – dafür aber vereinzelt Männer, die die Sachen von der Straße aufpicken. Dann wundern mich auch die niedrigen Arbeitslosenzahlen nicht mehr.

Kaum iPods zu sehen hier – die Koreaner kaufen wohl ganz gerne ihre eigenen Produkte (z.B. Samsung und LG). Immerhin wird bald das iPhone hier eingeführt.

Aus dem Weg! – Wenn die Rushhour kommt, vergessen die Koreaner ihre liebenswürdige Natur und laufen ohne Rücksicht auf Verluste drauf los. Wollte ich erst nicht glauben, habe ich aber inzwischen selbst erlebt. „Entschuldigung“ kennt man hier nicht wirklich.

Freitag, 16. Oktober 2009

Was passiert, wenn sie mich finden?

Fuer einige Tage habe ich mich mit meinem neuentdeckten Umweltbewusstsein richtig gut gefuehlt. Bis ich heute angefangen habe Kommentare auf Utopia zu lesen. Diese Leute koennen einem wirklich ein wenig Angst einjagen! Es ging um die Frage, ob Milch in Tetrapaks oder in Glasflaschen umweltfreundlicher sei (Transportkosten, Recycling und so). Waehrend ich mir noch dachte: "Och noe, Glasflaschen, die sind ja megaschwer zu schleppen!", las ich Unglaubliches: Milch ist angeblich total ungesund und es gibt Leute, die es voellig pervers finden "Kaelbernahrung" zu trinken. Es gibt ganze Websiten dazu. In einem anderen Beitrag ging es um Papierhandtuecher vs. Handtrockner in oeffentlichen Toiletten. Es gibt wohl Leute, die fuer solche Gelegenheit extra kleine Handtuecher mitfuehren. Wow. Aber damit nicht genug. Offensichtlich existiert eine Art Geheimkreis von hartgesottenen Oekos, die sich die Haende an der Hose abwischen, richtig stolz darauf sind und sich gegenseitig an den verdaechtigen Flecken erkennen. Dieses Verhalten ist bei ihnen sozial aeußerst angesehen.

Und so weiter und so fort.

Mein schlechtes Gewissen wurde immer schlimmer. Nicht genug damit, dass ich offensichtlich der reinste Oekoterrorist bin, nein, ich tue auch noch so, als waere das Gegenteil der Fall. Noch fataler: Insgeheim habe ich mich schon wieder ein klein wenig ueber diese freudlosen, hochmoralischen Gestalten lustig gemacht. Jetzt hoffe ich instaendig darauf, dass sie niemals meinen Blog entdecken, sonst werde ich wohl geteert und gefedert! Und wohlmoeglich dazu gezwungen wie einer jener Veganer zu leben, von denen Hyunwoo mir gerade erzaehlt hat, die den Wahnsinn soweit treiben, dass sie sich neben Baeume stellen und warten bis etwas runterfaellt, das sie essen koennen. Ich haette mir diese Oekosache wohl ein bisschen besser ueberlegen sollen ...

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Ich bin ein Lemming.

Rennen die anderen, renne ich auch. Empfehlenswerte Strategie nachts in der Seouler Metro. Die fährt komischerweise ab einer bestimmten Zeit nicht mehr - wann das genau ist, weiß aber keiner. Ohne Rücksicht auf Verluste (mein Schuh hätte beinahe dran glauben müssen) bin ich also losgehechtet. War die richtige Entscheidung. Das ist eben Survival of the Fittest in dieser kapitalistischen Gesellschaft.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Kim Jong-ils Nierenfunktion und meine Weiterbildung

Ihr fragt euch, was ich eigentlich bei der Hanns-Seidel-Stiftung so treibe? Ich habe es euch doch gesagt: Dafür sorgen dass, wenn ich abreise, koreanische Familien wieder gemeinsam Weihnachten feiern können. (Natürlich nur der kleine christliche Teil der Bevölkerung. Die anderen können meinetwegen machen, was sie wollen.) Den Aussöhnungsprozess zwischen Süd- und Nordkorea voranzutreiben ist jedoch nur eine der Aufgaben, die sich die Hanns-Seidel-Stiftung, die weltweit unter dem Leitmotiv „Im Dienst von Demokratie, Frieden und Entwicklung“ in der Entwicklungshilfe tätig ist, in Korea vorgenommen hat. Sie hilft außerdem in politischen Fragen zur dezentralisierten Verwaltung (Südkorea ist ja erst seit 1987 eine Demokratie), versucht Partner für Entwicklungsprojekte in Nordkorea zu gewinnen, um dort „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu leisten und setzt sich zudem für das Engagement von Frauen in der Politik ein. Detailliertere Informationen findet ihr auf der Website.

Und ich? Ich trinke morgens erstmal einen Kaffee. Dabei lese ich im Internet die wichtigsten Nachrichten oder eine koreanische Zeitung. Da meine offizielle Position Researcher ist, researche ich natürlich sehr viel. Wie schon berichtet bin ich dabei eine Präsentation zum Thema „Green Growth in Germany“ zu erstellen, die mein Chef im November auf einer Konferenz in Jeonju halten wird, zu der ich ihn voraussichtlich begleiten kann. Außerdem erstelle ich gerade einen Quartalsbericht zur jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Lage der Koreas und zu den innerkoreanischen Beziehungen. Was da alles abgeht! Nordkorea feuert sinnloserweise und ohne erkenntliche Absicht für 700 Millionen Dollar Raketen ins Meer, während die Bevölkerung hungert. Pjöngjang hält amerikanische Journalisten wegen „anti-nordkoreanischen Aktivitäten“ gefangen, bis Bill Clinton hinreist und sie mit seinem Charme frei redet. Dabei kann Clintons Arzt auch gleich mal Kim Jong-il, den Präsidenten Nordkoreas ,unter die Lupe nehmen – über dessen Gesundheitszustand zerbrechen sich nämlich alle den Kopf. Nach einem Schlaganfall scheint er auch an einer Stoffwechselkrankheit wie Diabetes oder Nierenfehlfunktion zu leiden, außerdem munkelt man, dass er Bauchspeicheldrüsenkrebs habe. Die CIA erstellt eine Ferngutachten und gibt im mit einundsiebzigprozentiger Wahrscheinlichkeit nur noch fünf Jahre zu leben. Währenddessen prügeln im südkoreanischen Parlament Abgeordnete der regierenden Grand National Party und der oppositionellen Democratic Party aufeinander ein, weil sie Differenzen zu einem neuen Mediengesetz haben und kampieren im Parlament. Nordkorea ermöglicht Familienzusammenführungen und kassiert dafür seit dem Jahr 2000 1,6 Milliarden Dollar für 1600 Menschen, die zusammengeführt werden – also schlappe 1 Million pro Zusammenführung.


Mal muss ich fast lachen, mal ist mir eher zum Weinen zumute, wenn ich das lese. Es übersteigt die Grenzen meines Verstandes, wie sich eine Regierung so verhalten kann. Ihre Bevölkerung ausquetscht, sie hungern lässt, sie in Arbeitslager schickt, sie von der Außenwelt und ihren Familienangehörigen abschneidet und das Geld für sinnlose Militärdemonstrationen und eigenen Luxus zum Fenster rausschmeißt. Es tut mir leid das zu sagen, aber wahrscheinlich ist, dass ich es doch nicht schaffen werde, die Wiedervereinigung bis Weihnachten zu erreichen, aber ich bin trotzdem froh einen winzigen Teil dazu beizutragen, die Lebensbedingungen für die Nordkoreaner ein bisschen zu verbessern.


Ich lerne hier sehr viel über Dinge, mit denen ich vorher noch nie etwas zu tun hatte. Natürlich über die Geschichte der Koreas und auch über die koreanische Kultur, aber auch Allgemeines zum Thema Politik. Das macht mir sehr viel Spaß (meistens jedenfalls) und ja, es erweitert meinen Horizont. Außerdem bin ich noch für Übersetzungen vom Deutschen ins Englische und umgekehrt zuständig. Übersetzt mal „Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten“! Insgesamt sind diese politischen Institutionen und Positionen jedes Mal eine kleine Herausforderung. Ich will gar nicht wissen, was am Ende da für ein Blödsinn rauskommt. Und wenn das dann noch weiter ins Koreanische übersetzt wird ... Dazu telefoniere oder maile ich noch ab und zu mit Deutschland, um zum Beispiel eine Besichtigung in Dresden für eine Studienreise klar zu machen. Und morgen gehe ich zum Wissenschaftlichen Gesprächskreis im Goethe Institut.


Noch drei Worte zu meinen Kollegen. Es gibt zwei Deutsche: Meinen Chef, Dr. Seliger, der Repräsentant der Stiftung ist und Sarah, die Senior Researcher ist. Und drei Koreaner: Young-soo ist Projektmanager und spricht sehr gut Deutsch, Soo-jin ist Projektkoordinatorin und kann ebenfalls Deutsch und was Hyunwoo eigentlich genau macht, weiß ich nicht, auf jeden Fall spricht sie sehr gut Englisch. Soohyun, meine Mitpraktikantin hatte leider heute ihren letzten Tag. (Ja, ich musste mir alle Namen aufschreiben und habe bis heute gebraucht sie auswendig schreiben zu können. Okay, das ist gelogen, ich musste bei Hyunwoo und Soohyun wieder nachgucken. Mist!)


Soohyung und Young-soo, Soo-jin und Hyunwoo
, Sarah

Off Topic Korea: Ich bin ein Öko. Das ist okay.

Als Kind hatte ich ein Umweltbuch, in dem es ein Bewertungssystem mit Walen gab. Irgendeine Farbcodierung zeigte – glaube ich – an, wie umweltverträglich gewisse Dinge sind. Meine Erinnerung ist lückenhaft, aber dieses Buch hat mich nachhaltig geprägt. Nach der Lektüre versank ich in tiefe Bestürzung darüber, wie viel Wasser wir verbrauchen und wie sehr Kraftwerke die Luft verschmutzen. Seit dem war es mir unmöglich beim Zähneputzen das Wasser laufen zu lassen und ich schaltete immer das Licht aus, wenn ich einen Raum verließ. Um die Umwelt nicht noch mehr zu verschmutzen, warf ich auch niemals etwas auf den Boden. Ernsthaft, nie. Der Gedanke an Radioaktivität ließ mir Schauer über den Rücken laufen. Als Kind war ich ein richtiger Öko.

Mit zunehmendem Alter wurde es schlimmer. Zur Lektüre des Walbuchs kam nun die Lektüre der Bravo. Dort gab es immer herzzereißende Berichte über Tiertransporte zu Schlachthöfen, natürlich ausführlich bebildert. Als gutes Pferdemädchen konnte ich das nicht ertragen. Ich wurde Vegetarierin. Was besonders hart war, da ich Fleisch liebe. Doch damals hatte ich noch Ideale und war bereit für meine Überzeugungen zu darben.

Vielleicht war der erste Bissen Fleisch nach mehrmonatiger Abstinenz wie Evas Biss in den Apfel. Ich verlor meine Unschuld. Ich fing an Ökos zu verlachen. Vegetarier waren in meinen Augen freudlose, blasse Gestalten, die sich und anderen das Leben schwer machen. Ich ließ mich von rein wirtschaftlichen Argumenten leiten. Möglicherweise weil ich das Gefühl hatte, dass es zu viel Schlechtes auf der Welt gibt, wie Kinderarbeit, Regenwaldrodung und besagte Tiertransporte, als dass ich dagegen hätte etwas ausrichten können, beschloss ich einfach alles zu ignorieren. Mein schlechtes Gewissen wird sehr schnell auf den Plan gerufen. Um nicht darunter zu leiden, blendete ich alles aus und aß und konsumierte völlig gedankenlos. Ich ging sogar so weit, dass ich mich davon überzeugen ließ, dass Atomkraft als Brückentechnologie durchaus sinnvoll ist. (Nur bei Zahnputzwasser, Lichtausschaltung und Müllwurf blieb ich standhaft.)

Was passierte dann?

Ich fing an das Thema „Green Growth in Germany“ zu recherchieren. Ich stieß auf erneuerbare Energien, innovative Produktionstechnologien, grüne Landwirtschaft und nachhaltiges Wachstum. Auf den Club of Rome und Utopia. Und ich war begeistert. Ich war angesteckt.

Manchmal benötigt man einen Impuls, der das Denken in neue Richtungen lenkt. Das bedeutet nicht, dass ich von jetzt auf gleich alle meine bisherigen Überzeugungen über Bord werfe, Veganer werde, nur noch im Biosupermarkt einkaufe und ausschließlich fair gehandelten Organic Cotton trage. Dazu esse ich erstens zu gerne Fleisch und zweitens habe ich zu wenig Geld. Aber ich kann tun was in meinen Möglichkeiten liegt. Stichwort Strategischer Konsum. War es nicht so, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt? Heutzutage ist es möglich, sich über Hersteller, Produktionsmethoden und Inhaltsstoffe zu informieren (z. B. auf Utopia) und dementsprechend seine Kaufentscheidung zu treffen. Muss natürlich nicht immer sein, aber ab und zu sollte man sich das leisten. Und vielleicht auch ein wenig leiden, weil man dafür ein bisschen mehr bezahlen oder auf etwas verzichten muss.

Das gleiche gilt für Energie. Vielleicht wird Strom teurer, wenn Atomkraftwerke abgeschaltet werden, vielleicht auch nicht. Zu viele Experten haben zu unterschiedliche Ansichten darüber, als dass ich irgendwem wirklich glauben könnte. Ich weiß nur, dass mir der Gedanke an Radioaktivität immer noch Schauer über den Rücken laufen lässt. Und dass wir nicht wissen, wie wir Atommüll sicher lagern, geschweige denn abbauen können. Wie man Offshore-Windparks oder Solaranlagen in Wüsten baut, wissen wir jedoch. Und was für einen Sinn hat es, in neue Technologien für Atomkraftwerke zu investieren, wenn erneuerbare Energien langfristig einfach die bessere Wahl sind?

Mein schlechtes Gewissen einfach auszublenden funktioniert nicht, dadurch geht es mir nur oberflächlich besser. Mir vorzunehmen etwas zu tun, hilft schon mehr. Und die Perspektive möglicherweise später mal mein Geld damit verdienen zu können, mich für eine „bessere Welt“ (ja, pathetisch, ich weiß) einzusetzen, gibt mir neue Energie für die Zukunft. BWL muss nicht oberflächlich und rein wirtschaftlich sein. BWL kann mehr.

Jetzt heißt es dran bleiben und die guten Vorsätze in die Tat umsetzen. (Vielleicht sollte ich damit beginnen mich mal fragen, wie 2-Euro-T-Shirts in Korea zustande kommen und ob ich sie wirklich kaufen sollte.) Ich werde berichten wie ich mich mache.

Jemand muss mich aus Seoul abholen!

Es besteht akute Gefahr, dass ich sonst im Shoppingsumpf versinke und ganz Seoul leer kaufe. (Das wäre allerdings wirklich eine Leistung. Wenn man sich mal bewusst anschaut was es hier für ein Angebot an Kleidung gibt und sich überlegt, wer das wohl alles kaufen soll, DANN wird einem klar, wie verdammt viele Menschen hier wohnen. Unfassbar.) Bevor man mich verurteilt, sollte man jedoch folgende Fragen stellen: War ein nudefarbenes T-Shirt, auf dem ein kleines blondes Mädchen sich die Zähne putzt, wirklich das Stück, das in meiner Garderobe noch fehlte? War es tatsächlich nötig sich ein hundertstes Paar Schuhe zu kaufen (flache, schwarze Schnürschuhe)? Und ein hundertundeinstes (graue Ballerinas)? Ist es für mein finales Glück unabdingbar ein schwarz-weiß gestreiftes Pulloverkleid zu besitzen? Und da ich alle Fragen eindeutig mit Ja beantworten kann, bin ich vom Wahnsinn freizusprechen. Außerdem könnte ja wohl bei T-Shirts für zwei Euro auch niemand von euch widerstehen. Noch dazu habe ich heute meinen ersten Erfolg im Handeln gefeiert. Von 19.000 auf 15.000 Won. Auf Koreanisch!

Sonntag, 11. Oktober 2009

Frische Luft ist was anderes!

Wie schlecht die Luft hier in Seoul eigentlich ist, habe ich gemerkt, als wir einen Ausflug nach Incheon gemacht haben. Das ist die Küstenstadt, in der auch der Flughafen steht. Von dort aus sind wir auf abenteuerlichen Wegen zu einer Insel gefahren. Die Busfahrer fahren wirklich wie gesengte Säue – eine gewisse sadistische Ader konnte man unserem an diesem Tag schon zusagen, hatte er doch einen besonders gefederten Sitz, während wir quasi im freien Raum hin und her geschleudert wurden. Speed bumps? Dazu da um die Fahrt etwas aufregender zu gestalten! Lustig war’s aber schon.

Auf der Insel sind wir am Strand lang gelaufen. Das Meer war wegen Ebbe zwar ziemlich weit weg, stattdessen gab es aber eine Menge Schlick, auf dem man sehr gut rumschlittern konnte. Leider waren wir zu langweilig, um eine Schlammschlacht zu machen. Das Wetter war großartig und ich konnte ein paar interessante Fotos machen. Außerdem war es gut mal aus dieser chaotischen Stadt heraus zu kommen und in die Ferne zu gucken.

Ein paar Schwierigkeiten machte uns das Essen. Erst wollte uns kein Restaurant rein lassen, weil sie (angeblich) völlig ausgelastet waren oder jetzt nur noch die ganz scharfen Saucen servieren würden, die man uns nicht zumuten wollte. Dann waren die Karten (wie so oft) nur auf Koreanisch, die Verständigung schwierig (obwohl wir einen dabei hatten, der ein wenig Koreanisch kann), die Essenauswahl beschränkt (nur roher Fisch) und sowieso mochten von sieben Leuten nur viereinhalb Leute Fisch und eine überhaupt kein koreanisches Essen. Wir haben es dennoch geschafft ein Restaurant zu finden und ganze sechzehn gegrillte Fische zu bekommen (auch wenn die „ziemlich klein oder eher ziemlich dünn“ waren). Wir aßen sie mit Stäbchen und beobachteten dabei einen wunderschönen Sonnenuntergang über dem Wasser.

In Seoul ging es dann erst zu Mr. Pizza, wo man für man für knapp zwei Euro ein tolles Salat- und Joghurtbuffet mit Refill bekommen kann. Ein echter Geheimtipp, wenn man mal genug von Kimschi und Co hat! Und später waren wir in der Subzero Icebar. Dort ist alles aus Eis und die Cocktails werden in Eisblöcken serviert. Klingt toll, ist es aber meiner Meinung nach nicht so sehr. Vielleicht bin ich ein Pedant, aber in so einer „coolen“ Location (hahaha) sollte auch der Boden nett anzusehen und nicht irgendein rotes Fuselteil sein. Außerdem sollte es nicht so komisch riechen. Und schließlich – und darin liegt vielleicht das Hauptproblem – sind die Kälte und ich absolut nicht die dicksten Freunde. Da kann auch noch so viel Absolut Vodka nichts gegen ausrichten. Wenn meine Füße erstmal eingefroren sind, ist auch meine Laune am Tiefpunkt!

Breakdancing in Korea

Offensichtlich ganz groß. Als Florian und ich heute an der City Hall vorbeikamen, wurde gerade der Film „Planet B-Boy“ gezeigt – der von den Finals des „Battle of the Year“ (2005) berichtet, der jedes Jahr in Braunschweig stattfindet und wohl das Nonplusultra der Breakdancingszene darstellt. Aus jedem Land darf eine Crew antreten und die sind natürlich verdammt gut. Was den Film besonders interessant gemacht hat, war dass zwei koreanische Teams antreten durften, da die Vorjahresgewinner Koreaner und damit gesetzt waren. Deswegen wurde besonders viel über Breakdancing in Korea erzählt – der allgemeine koreanische Charakter (wenn man das so pauschalisieren darf) und Breakdancing passen ja auf den ersten Blick nicht so optimal zusammen. Die Eltern der B-Boys waren auch nicht so furchtbar begeistert und haben nicht so richtig verstanden, was ihre Jungs da eigentlich treiben.

Ein Highlight war eine Szene in der ein Koreaner zum anderen sagt, er solle mit dem Kimschi sparsam umgehen, es solle ja schließlich für die gesamte Zeit in Deutschland reichen. (Kimschi ist dieser eingelegte Chinakohl, den sie hier ständig essen und der allen Deutschen zum Hals raushängt!) Auch gut war, als der eine Koreaner sein Fleisch in den Schokopudding gedippt hat, weil er keinen Plan davon hatte, was er da isst. Oh mann, wie wir hier wohl wirken müssen?

Schließlich hat das neuere koreanische Team gewonnen – nachdem sie sich mit den Japanern gebattelt haben, was sie sich vorher auch gewünscht hatten. („We got history together. We may be able to forgive, but we won’t forget.“ Hoffentlich können die anderen europäischen Länder uns besser vergessen!) Mich hat’s gefreut, ich hatte richtig mitgefiebert. Was mir gefehlt hat, war eine Aftershowparty, ich bin mal gespannt, ob es mir gelingt einen guten Hiphopclub hier ausfindig zu machen!

Seoul – World Fashion City*

Nachdem ich die erste Woche hier ganz lässig und unspektakulär in Hosen und T-Shirts verbracht, die topgestylten Koreanerinnen bewundert, selbst aber weder Energie noch Begeisterung für mein eigenes Styling aufgebracht habe, ist heute der Geist der Mode wieder in mich gefahren. Gut, ich dachte schon, ich würde meine Eitelkeit verlieren! Heute war ich in der Nähe der Hongik Universität ein wenig shoppen. Tolles Viertel. Viele kleine Läden und wirklich nette Cafés (sonst gibt es hier immer nur Starbucks und Co oder dubiose koreanische Schuppen), außerdem wohl auch coole Bars. Zum Glück nur eine Station von mir entfernt.

In Korea sieht man alle möglichen Styles. Viele Frauen sind sehr schick, mit Highheels, Bleistiftröcken und Blusen, manche sind bitchy, so wie man sich das vorstellt, mit sehr kurzen Röcken und Kniestrümpfen und andere richtig lässig mit bedruckten T-Shirts et cetera. Man kann also alles tragen. Und man kriegt auch alles – ziemlich günstig. Stellt euch also auf eine modische Horizonterweiterung meinerseits ein. Inzwischen komme ich damit klar, dass die Verkäuferinnen ständig hinter einem her sind – zu viel Service kann ganz schön anstrengend sein! Am Anfang meines Einkaufs stand ein eher trauriges Erlebnis: Ich hatte mir mehrere Kleider und T-Shirts rausgesucht und brannte darauf sie anzuprobieren. Durfte ich dann aber nicht. Fragt mich nicht wieso, es hieß nur „No try on of tops“. Als ich enttäuscht den Laden verließ musste ich fast weinen. Ernsthaft. Das waren wirklich schöne Sachen! In einer Stadt wie Seoul bleibt man aber nicht lange traurig – es gibt ja noch eine Million anderer Läden und so wurde ich fündig. Habe natürlich mal wieder nur praktische und funktionale Teile gekauft, die ich unbedingt brauchte. Eins kann man sogar als Top oder als Rock tragen. Wenn das nichts ist!

*Bald ist hier Fashion Week. Tickets kann man aber nur kaufen, wenn man koreanisch kann. Typisch. (Und irgendwie unglaublich. Irgendwer in dem Zirkus muss doch Englisch sprechen können!) Ich werd mal Soo fragen, ob sie mir hilft.

By the Way

Ich habe keine Ahnung, warum Blogspot die Schrift hier so zerrockt. Das liegt natürlich nicht in meiner Absicht!

Momente, in denen Seoul/ Korea toll ist

Wenn das Internet nicht funktioniert. (Okay, das ist erstmal der absolute Horror!) Aber einem Philippe und Han auf hysterisches Klopfen hin mit vollem Einsatz helfen wollen. Raus finden, ob auch andere das Problem haben und Vorschläge zur Problemlösung bringen. Ich bin doch nicht isoliert im Hasook!

Wenn man das Gefühl hat etwas verstanden zu haben. Das Subwaysystem. Wie man mit Stäbchen isst. Dass man sich verbeugt, wenn man Hallo und Tschüs sagt. Was noch mal genau Hallo heißt. Und was Danke. Oder wenn man mal falsch aussteigt, aber trotzdem den Weg zu Fuß nach Hause findet. (Ohne Plan, denn Pläne nützen hier eh einen Scheißdreck.)

Wenn alle Geschäfte aufhaben. Bis spät abends. Sonntags. Immer. Und man sich mal eben noch für sechs Euro ganz ordentliche Schuhe in der Subwaystation kauft. Und sie sogar meine unglaublich große Schuhgröße haben.

To be continued

Momente, in denen Seoul/ Korea einfach nervt

Wenn man in den falschen Bus einsteigt. Alles sieht gleich aus (Hochhäuser, amerikanische Franchiseketten, Straßenhändler, koreanische Restaurants), für jemanden wie mich ist es quasi unmöglich sich zu orientieren. Pläne, wo der Bus lang fährt, gibt es im Bus nicht und nützen würden sie ohnehin nichts, denn sie sind komplett auf Koreanisch. Man fragt sich unablässig, ob man jetzt richtig ist und wann der beste Moment wäre den Bus zu verlassen. Man fühlt sich verloren in dieser viel zu großen Stadt und ärgert sich darüber, dass man nicht besser aufgepasst hat, in welchen Bus man steigt.

Wenn Rushhour ist. Unmengen an Menschen wuseln in den Subwaystationen durcheinander, stehen sich gegenseitig im Weg, rennen sich um, starren auf ihre mobilen Fernseher, verstopfen die Ausgänge und sorgen für Bewegungsmöglichkeiten wie in Kaugummi. Nicht gut für Leute, die nicht so auf Menschenmassen klar kommen und einfach nur nach Hause wollen. Von „Erst aussteigen lassen!“ haben die auch noch nie was gehört.

Wenn man nur mal aufs Klo möchte. Das Badezimmer in meinem Hasook ist immer nass, denn es hat bestimmt gerade jemand geduscht. Das heißt: Socken ausziehen, Klopapier, Seife und Handtusch schnappen, alles trocken wischen und los geht’s. Hände waschen dann unter der Dusche. Fühlt sich ein bisschen an wie Campen.

Wenn keiner im Haus mit einem reden möchte. Man sitzt in der Küche, es kommt jemand rein. Man sagt Hallo, kann froh sein, wenn der andere den Gruß erwidert. Setzen tut sich niemand um mal raus zu finden, wer die Neue ist.

To be continued

Dienstag, 6. Oktober 2009

On and on and on and on

Ich saß mal wieder nichtsahnend am Schreibtisch, als es an der Tür klopfte. Davor stand der Mann vom Haus. Er sagte etwas auf Koreanisch zu mir und machte Zeichen. Irgendwann wurde mir klar, dass er Geld wollte. Geld, das ich nicht hatte. Ich bekam es mit der Angst zu tun a) den Ruf von Deutschen bei diesem Koreaner nachhaltig zu verderben (denn ich hatte versprochen Montag für das Zimmer zu bezahlen) und b) auf der Straße zu landen. Ich bot ihm 50.000 Won als Anzahlung an und versuchte ihm begreiflich zu machen, dass ich den Rest am nächsten Tag zahlen würde. Kam mir vor wie ein Verbrecher, der die Hasook-Leute betrügen will. Zum Glück nahte Rettung. Wer hätte das gedacht: Auf meiner Etage wohnen mindestens zwei Typen, die anständig Englisch UND Koreanisch sprechen – Philippe aus Frankreich und Han (?) irgendwo aus Asien (bin noch lange nicht soweit Koreaner, Chinesen und Japaner auseinander halten zu können!). Bevor ich also das nächste Mal kurz vorm Nervenzusammenbruch stehe, wenn der Hasook-Mann mich besucht, werde ich mich an die beiden wenden. (Nachtrag: Puh, habe ihm das Geld gegeben. Er hat es nicht mal gezählt. Ich glaube er traut mir doch noch über den Weg!)

Montag hatte ich meinen ersten Arbeitstag. Musste was über Kandidatenaufstellungen für Bundestagswahlen recherchieren und die Frage beantworten, ob man als deutscher Politiker Vorstrafen haben darf. Die Koreaner wollen das gerne wissen, weil bei ihnen Politiker mit Vorstrafen nicht zugelassen sind (zu viele dreckige Geschäfte in der Vergangenheit), man aber ziemlich schnell eine bekommt, z. B. wenn man ohne Genehmigung Essen bei einer Wahlkampfveranstaltung ausschenkt. Das führt dann dazu, dass viele aus dem Parlament fliegen. Nun würden aber die, die dafür plädieren, diese Vorstrafenreglung wieder abzuschaffen, natürlich ziemlich blöd dastehen. Verzwickt! In Deutschland ist es jedenfalls erlaubt und der ein oder andere Politiker hat auch keine so ganz weiße Weste. Dafür habe ich nun ein für alle Mal verstanden, was es mit Direktmandaten und Landeslisten auf sich hat und wie das alles zu stande kommt. Endlich! Auch wenn das nicht gerade für mich spricht. Freue mich aber schon in vier Jahren mein neues Wissen anwenden zu können.

Abends habe ich mich mit Julia, Jessika und Michael getroffen, die auch hier Praktika machen. Es tut wirklich gut mit Leuten zu sprechen, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben, wie man selbst. Auf dem Weg nach Itaewon, wo wir uns getroffen haben, hatte ich einen kleinen Tiefpunkt. Obwohl ich eigentlich recht fit bin, schlägt der Jetlag ab und an zu und macht mich plötzlich totmüde. Außerdem fühlte ich mich auf eine komische Art und Weise isoliert. Die Koreaner sind wirklich nett, aber manchmal ist es, wie gegen eine Wand zu rennen. Man weiß nicht, ob sie einen verstehen, sie reden so leise und schüchtern und aus irgendeinem Grund möchte man sie packen und ein wenig schütteln, obwohl sie einem nichts getan haben. Das scheint nicht nur mir so zu gehen – ein Glück, ich hielt mich schon für unnmöglich. Dazu kommt die Unsicherheit, wenn irgendwo nur Zeichen stehen, auf die man sich keinen Reim machen kann. Der merkwürdige Geruch an jeder zweiten Straßenecke. Und aus jedem Handyladen kommt laute, nervtötende Musik. Meine Medikation war zu Starbucks zu gehen, einen geliebten Käsekuchen zu essen und mal eineinhalb Stunden bei klassischer Musik abzuschalten. Interessant wie Dinge, die man in der Heimat meidet, im Ausland zu vertrauten Rückzugsorten werden können. Demnächst fange ich noch an zur Beruhigung Schlager zu hören und Haxen zu essen!

Mittlerweile habe ich nicht mehr das Bedürfnis jeden Ausländer, den ich sehe, anzusprechen und ihn zu fragen, ob er was mit mir unternehmen will. In Sinchon, wo ich wohne, gibt es ja fast keine Ausländer, so dass jede Sichtung ein Highlight ist. In Itaewon dagegen gibt es einige – das kommt mir schon fast wieder falsch und unauthentisch vor. Mir kann man es auch nicht recht machen! Von Itaewon habe ich zwar noch nicht furchtbar viel gesehen, außer der Hauptstraße, dem Starbucks, dem Handyladen und einer Bar, in der wir waren (vieeeel zu touristisch! ☺). Trotzdem behaupte ich schon mal, dass mir Sinchon besser gefällt. Laut meinen Kollegen ist Itaewon auch nicht „das richtige Korea“. Ich werde dem Viertel heute Abend aber noch mal eine Chance geben – bin dort zum was Trinken gehen verabredet.

Mein neues koreanisches Handy ist ein echter Hit. Es ist ganz edel in weiß-silber und hat viele tolle Sounds.. Unangenehme Situation: Auf dem Rückweg in der Bahn wollte ich es direkt ausprobieren und habe erstmal eine SMS nach der nächsten bekommen. Jedes Mal ein Heidengetöse und Vibrieren und ich wusste nicht, wie man das ausstellt. Mittlerweile habe ich es aber unter Kontrolle. Wer mich dringend anrufen muss, erreicht mich unter +82 10 3146 2525. Der Handytyp hatte uns zuerst ein paar winzig kleine Handys von Motorola angeboten, vielleicht so drei mal sechs Zentimeter groß. Werden wohl exklusiv für den koreanischen Markt produziert. Wir haben dankend abgelehnt.

Heute morgen habe zum zweiten mal Reis zum Frühstück gegessen. Dazu ein wenig Ei. Ihr kennt meine Essgewohnheiten, für mich ist das sicherlich weniger schlimm, als für andere Leute. Aber ein bisschen Überwindung kostet es schon um halb acht morgens, wenn einem vielleicht mal grad nach einem Marmeladenbrot ist, die Reisschale zu füllen. Die Hasook-Frau wollte mir noch ominöse eingelegte Dinge andrehen, aber das konnte ich ausschlagen. Wir beiden verstehen uns immer besser – oder zumindest bilde ich mir das ein. Heute werde ich mir trotzdem mal ein paar Cornflakes kaufen (schon wieder: Ich esse zu Hause eigentlich gar keine Cornflakes!) – man kann die Koreanisierung ja in kleinen Schritten durchführen. Mittags bin ich ja auch voll dabei – gestern hatte ich Nudelsuppe, heute eine Art Maultaschen. Dazu gibts immer eingelegten Rettich und Kim Chi (scharf eingelegten Chinakohl). Ist mir zwar ein wenig zu scharf alles, aber essenstechnisch bin ich hier schon ganz richtig, denke ich. Und kleidungstechnisch auch. Wär ich ein Typ, würde ich mich wohl in die ein oder andere Koreanerin verlieben – irgendwie haben die sowas Filigranes an sich und ziehen sich noch dazu – größtenteils – so schön an. (Das würde natürlich nicht gut gehen. Käme sicherlich nicht so toll, wenn ich meine Freundin ständig schütteln würde!)

Unpraktischerweise ist das MS-Office im Büro auf koreanisch. Was mich ein wenig schockiert: Ich kann trotzdem einigermaßen damit umgehen. Obwohl überall kryptische Zeichen stehen, finde ich die richtigen Schaltflächen, weil ich schon so oft darauf geklickt habe, dass das vollkommen automatisiert ist. Windows hat die Kontrolle über mich!

Mein neuer Auftrag ist es, eine Präsentation über „Green Growth in Germany“ zu erstellen. Bei den Koreanern ist das gerade DAS politische Schlagwort und sie wollen gerne so schnell wie möglich das ein oder andere Umweltthema anpacken, wohl auch um wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen (Green Growth). Ich selber finde die Thematik ebenfalls sehr spannend: Umwelt, Nachhaltigkeit, Innovationen und Wachstum – wie das alles zusammen passt und uns schließlich nicht nur aus der Krise führen, sondern auch noch die Welt retten wird. Außerdem wie man durch strategischen Konsum seinen eigenen Beitrag dazu leisten kann, dass es in die richtige Richtung geht. Kann sein, dass ich dazu noch mal was schreiben werde – der Öko in mir ist auf jeden Fall geweckt!

Schließlich noch ein paar Worte zu meiner Badezimmersituation: Uag. Wie ihr vielleicht auf den Bildern gesehen habt, ist das Badezimmer ein gekachelter Raum, in dem eine Toilette steht und in dem sich ein Duschkopf befindet (ohne Duschhalterung, aber das bin ich ja zum Glück aus Köln gewohnt). Kein Waschbecken. Keine Trennwand oder Vorhang. Das bedeutet: Wenn jemand duscht, ist der ganze Raum nass. Händewaschen geht nur unter dem Duschhahn. Nach dem Zähneputzen in die Hocke gehen und in den Abfluss spucken. Also Lydia, im Nachhinein gibt es keinen Grund, sich über den Condillac zu beschweren! Wobei ich immerhin ziemlich schnell warmes Wasser habe. Den anderen geht es allerdings ähnlich – offensichtlich sind solche Badezimmer hier üblich.

Macht keinen Quatsch!
Judith

PS: Mysteriös: Keine Mülleimer (nervig!!!), aber trotzdem saubere Straßen.
PPS: Doof: Nach dem Essen geht es schnurstracks wieder an die Arbeit. Ich bin nachmittags jedoch unfähig etwas zu tun: Zu allgemeiner Müdigkeit nach dem Essen gesellt sich der Jetlag. Unproduktive Deutsche!
PPPS: Eklig: Toilettenpapier scheint nicht ins Klo, sondern in einen Mülleimer daneben geworfen zu werden. Erst war es nur eine Vermutung von mir, aber der Verdacht verhärtet sich!

Sonntag, 4. Oktober 2009

Tag Zwei

neigt sich dem Ende. Eben kurze Schreckenssekunde: Es klopft energisch an der Tür. Ich stelle die Musik aus und öffne. Davor steht ein Typ, sagt was auf koreanisch und bedeutet mir raus zu kommen. Im Flur steht noch ein anderer Typ, der sich grad die Schuhe anzieht. Der erste will, dass ich meine Tür zu mache und mir auch die Schuhe anziehe. Dann soll ich aus der Wohnung treten und er will die Wohnungstür schließen. Ich muss sagen, ich will das nicht. Meine Tür ist nicht verschlossen, mein Laptop an und ich habe keine Jacke an. Aber er ist weiter energisch und ignoriert meine Fragen „Why? What? Where? For how long?“ einfach. Als er mich rausbugsiert hat, verschließt er die Wohnungstür mit dem Zahlenschloss und ich denke, na super! So machen die das hier also mit ahnungslosen Deutschen ...

Kurz darauf wird das Rätsel jedoch aufgelöst: Er wollte mir nur zeigen, wie man den Code eingibt. Ach so!

Abgesehen davon kann ich nicht klagen. Carlowatz und Mama: Das Rätsel um das Hasook-Haus wurde auch gelöst: Ha heißt Haus und Sook entweder Wohnen oder Essen (hab ich schon wieder vergessen). Also könnte man wohl auch nur Hasook sagen. Ist einfach ein Wohnheim, wo man morgens und abends Essen bekommt. Immer Reis. Ich freue mich schon auf morgen früh! Gestern gab es abends zum Reis noch diverses Gemüse (teilweise nicht identifizierbar), winzige, silberne, sehr stark gesalzene Fischchen und gebratenen Fisch. Dazu Sojasauce. War ehrlich gesagt semi-lecker. Aber ich glaube, dass das noch besser wird. Mit der Hasook-Frau spreche ich übrigens inzwischen Deutsch. Macht echt keinen Unterschied, ob sie mich auf Englisch oder Deutsch nicht versteht und es kommt immer besser seine wilden Gesten mit irgendwelchen Lauten zu begleiten!

Heute habe ich ausgeschlafen und war dann in Sinchon unterwegs. Habe mir Frühstück gekauft (alles etwas günstiger als bei uns, echt traumhaft!) und war dann in einem trés chicen Kaufhaus, namens U-PLEX. Viele schöne Klamotten hatten die da, allerdings hat es mich ein bisschen eingeschüchtert, dass die Verkäufer mich alle angesprochen haben, da habe ich immer blöd gegrinst und bin schnell weggegangen. Restlos überzeugt hat Korea mich dann, als sie in dem Kaufhaus Ben Folds gespielt haben. Geht doch! Von ganz oben hatte man einen super Blick auf Sinchon. Was mich gewundert hat war die Sonnenbrillenabteilung, wo die hier doch keiner trägt – da war dann dementsprechend auch nichts los. Clavinovas von Yamaha gab’s auch, jetzt weiß ich schon mal, wo ich hingehen kann, wenn mich die Sehnsucht nach meinem packt!

Später kam Soo vorbei und wir waren in Downtown (oder zumindest glaube ich das, zum Thema Karten komme ich später!), Wir waren auf einer Straße mit koreanischen Spezialitäten, bei der City Hall und dann sind wir an einem kleinen Fluss entlang gegangen, den sie vor drei Jahren irgendwie angelegt haben. Sehr nett alles!

Einkaufen war ich auch heute. Muss sagen, dass es teilweise etwas komisch gerochen hat im Supermarkt, aber es gab auch tolle Sachen zu kaufen. Leider habe ich hier keine Küche, sonst würde ich mich mal richtig austoben. Besonders fasziniert haben mich auch die vielen lecker aussehenden Getränke – ich habe keine Ahnung, was ich da gekauft habe, aber ich konnte nicht widerstehen. (Foto hier.) Leider schmeckt das dritte von rechts schon mal richtig eklig und heute in der Stadt hatte ich auch einen Tee, der lecker aussah, aber widerlich war. Sollte nicht so sehr auf Verpackungen achten. Aber ich war ja schon immer ein Marketingopfer und jetzt bleibt mir auch nicht so viel anderes übrig! (Habe außerdem Trauben gekauft. Die riechen komisch und die eine, die ich vorhin probiert habe, war mir auch sehr suspekt! Jetzt traue ich mich nicht, eine weitere in den Mund zu stecken. Uah!)

Vorhin habe ich im StudiVZ ein paar Leute angeschrieben und bin jetzt für morgen zum Handykaufen verabredet und für Dienstag auf einen Drink. Samstag gehe ich vielleicht auf eine Party oder fahre nach Incheon (Küstenstadt) mit ein paar Leuten. Oder oder oder. Socialising!

Ach ja, ich wollte ja noch was zu Karten sagen: Von Straßennamen halten sie hier nicht wirklich was. Jedes Gebäude hat zwar eine Adresse, es gibt aber fast keine Straßenschilder. Auf meinen Karten stehen auch keine Straßennamen drauf. Die Häuser werden nach dem Baudatum nummeriert, 27 könnte also neben 150 stehen. Deswegen bekommt man hier ein Fax mit einer Karte, wenn man irgendwo hin muss. Sagt zumindest Lonely Planet. Ich habe eine genaue Beschreibung von Soo für morgen, aber es schadet nicht, wenn ihr mir trotzdem die Daumen drückt!

Fotos von heute gibt es hier.

Anyong-hi jumuseyo,
Judith

Samstag, 3. Oktober 2009

Gute Nacht



Der Blick aus meinem Fenster. Drauf klicken, dann wird die Qualität besser.

Angekommen

Da bin ich nun. Korea ist super. Die Koreaner sind unheimlich freundlich und irgendwie habe ich sie schon ein wenig in mein Herz geschlossen. Das einzige, was zwischen uns steht, ist eine ziemliche Sprachbarriere – irgendwie hatte ich mir das einfacher vorgestellt. Manche können zwar Englisch, aber das auch nicht unbedingt gut. Was das bedeutet, nicht richtig verstanden zu werden und sich nicht ausdrücken zu können, nicht mal ansatzweise lesen zu können, was auf manchen Schildern steht und nur stumm wie ein Fisch (aber ein lächelnder) auf Dinge zeigen zu können, kann man sich gar nicht vorstellen. Macht einen ein wenig hilflos.


Die Anreise ist reibungslos verlaufen, ich hatte sogar eine nette Koreanerin neben mir, die mich unbedingt noch zum richtigen Bus begleiten wollte. Dafür hat sie mir am Ende einen Flyer „The Way To Meet God“ in die Hand gedrückt, denn sie war wohl überzeugte Christin. Keine Ahnung, wo sie den her hatte. Mrs. Kim lässt grüßen! Der Mann am Bus war auch ausgesprochen nett, genau so wie der Busfahrer, der mir extra Bescheid gesagt hat, als ich raus musste. Auch wenn das einzige Wort, dass wir alle voneinander verstanden haben „Sinchon“ war. Hinter mir saß auf der Fahrt ein Mädchen, das die meiste Zeit fürchterlich verzweifelt geschluchzt und Selbstgespräche geführt hat. Dank Soos Beschreibung und Karte hätte ich das ominöse Hasook-Haus fast auf Anhieb gefunden. Auf den letzten Metern habe ich mich ein wenig verlesen und musste die Erfahrung machen, dass alle Leute, die ich angesprochen habe, kein Englisch konnten. Anrufen konnte ich die Inhaberin auch nicht, denn mein Handy funktioniert leider nicht (gut, dass ich extra noch im O2-Laden nachgefragt hatte!).


Im Haus angekommen fühlte ich mich noch verlorener, denn nirgendwo war jemand zu sehen. Aus dem obersten Stock kamen kirchliche Gesänge, ich wusste nicht, ob ich die unterbrechen durfte, habe aber letztendlich doch geklingelt. Es kam ein junger Typ runter, der mir irgendwie begreiflich gemacht hat, die Inhaberin sei im ersten Stock. War sie aber nicht. Deswegen habe ich an alle Türen im ersten und zweiten Stock geklopft, bis mir ein Mädchen aufgemacht hat. Sie heißt wohl Chen und ist Chinesin, aber sicher ich nicht. Nicht mal so einfache Informationen können wir austauschen, obwohl sie ein wenig Englisch spricht! Sie hat dann die Inhaberin angerufen, die gar kein Englisch kann. Zum Glück hatte ich eine Handynummer von Soo, die ein bisschen telefonisch für mich übersetzt hat. Inzwischen habe ich mein Zimmer bezogen (doch nicht das von den Fotos) und finde es doch ein wenig ironisch, dass ich hier sofort Internet habe, was in Köln zweieinhalb Monate lang nicht geklappt hat (geht’s inzwischen, Lisa?).


Nach dem Auspacken, habe ich ein wenig das Viertel erkundet. Erst war ich essen bei McDonalds und wusste es richtig zu schätzen, dass ein Big Mac überall gleich schmeckt. Nach all der Andersartigkeit brauchte ich etwas Vertrautes und Sicheres. Dann bin ich rumgelaufen. Weil alles so anders aussieht, habe ich noch keine Fotos gemacht, ich wollte erst mal gucken. Die Koreaner gefallen mir – wie gesagt – sehr gut. Die Mädchen und auch einige Jungs haben teilweise einen wirklich interessanten und inspirierten Kleidungsstil. Da ich in einem Studentenviertel wohne, waren eigentlich nur junge Leute unterwegs. Und ich hatte das Gefühl, dass ich die einzige Europäerin bin.


Vielleicht gehe ich heute Abend mit einem Freund von Henry und Jörg und Freunden vom ihm irgendwo hin. Falls das nicht klappt, ruhe ich mich was aus und beschäftige mich mal mit dem Weg Gott zu treffen. Zumal ich von meinem Vater e kölsch Jebettboch zum Abschied bekommen habe.


Fotos gibt's hier. (Auch rechts oben in der Sidebar zu finden.)


PS: Komische Beobachtung: Strahlender Sonnenschein, KEINER trägt eine Sonnenbrille. Warum?

PPS: Nur 18,3 kg Gepäck! Unfassbar.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Noch 1 Tag. Uaah!

Erstes Wiegen hat ergeben, dass mein Gepäck wohl so durchgehen wird. Mann, bin ich stolz auf mich - zu entscheiden, was ich mitnehme soll war härter als Makro. Jetzt bin ich in MB City und morgen um 11:50 Uhr geht es von Düsseldorf erst nach Helsinki und dann nach Seoul. Fragt mich nicht wie lange der Flug dauert, ich weiß es nicht. Fragt mich auch nicht, wo ich genau wohnen werde, es heißt Hasook-Haus, was das bedeuten soll, keine Ahnung. Es ist in Sincheon (wird wohl Schinschon ausgesprochen, hehe). Es kostet knapp 270 € und ich werde mir mit zwei oder drei Leuten ein Bad teilen. Hier ein paar Fotos davon, wie es momentan dort aussieht. Ich bin gespannt wie viel Pink bleibt!
Drückt mir die Daumen, dass mit den Flügen alles glatt läuft und dass ich gut den Weg vom Flughafen zum Hasook-Haus finde - meine Mitpraktikantin Soo hat mir einen genauen Plan geschickt. Mein Koreanisch ist ja bekanntermaßen noch nicht so exzellent, ich habe sogar schon wieder vergessen, was Hallo heißt. Aber im Flugzeug habe ich ja genug Zeit mir das noch mal anzuschauen. Ich freue mich schon auf den Moment, in dem ich aus dem Bus vom Flughafen steige und zum ersten Mal "mein" Viertel sehe.

Ich werde euch vermissen! Mein Skype-Name ist JudithYvaiette und Korea ist uns sieben Stunden voraus. Ruft mal an.

Judith

PS: Mhh, das kam dabei heraus, als ich der Koreanerin vom KTO (Korean Travel Office) in Frankfurt meinen Namen buchstabiert habe. Die Kommunikation ist durchaus verbesserungswürdig! ;-)