Dienstag, 6. Oktober 2009

On and on and on and on

Ich saß mal wieder nichtsahnend am Schreibtisch, als es an der Tür klopfte. Davor stand der Mann vom Haus. Er sagte etwas auf Koreanisch zu mir und machte Zeichen. Irgendwann wurde mir klar, dass er Geld wollte. Geld, das ich nicht hatte. Ich bekam es mit der Angst zu tun a) den Ruf von Deutschen bei diesem Koreaner nachhaltig zu verderben (denn ich hatte versprochen Montag für das Zimmer zu bezahlen) und b) auf der Straße zu landen. Ich bot ihm 50.000 Won als Anzahlung an und versuchte ihm begreiflich zu machen, dass ich den Rest am nächsten Tag zahlen würde. Kam mir vor wie ein Verbrecher, der die Hasook-Leute betrügen will. Zum Glück nahte Rettung. Wer hätte das gedacht: Auf meiner Etage wohnen mindestens zwei Typen, die anständig Englisch UND Koreanisch sprechen – Philippe aus Frankreich und Han (?) irgendwo aus Asien (bin noch lange nicht soweit Koreaner, Chinesen und Japaner auseinander halten zu können!). Bevor ich also das nächste Mal kurz vorm Nervenzusammenbruch stehe, wenn der Hasook-Mann mich besucht, werde ich mich an die beiden wenden. (Nachtrag: Puh, habe ihm das Geld gegeben. Er hat es nicht mal gezählt. Ich glaube er traut mir doch noch über den Weg!)

Montag hatte ich meinen ersten Arbeitstag. Musste was über Kandidatenaufstellungen für Bundestagswahlen recherchieren und die Frage beantworten, ob man als deutscher Politiker Vorstrafen haben darf. Die Koreaner wollen das gerne wissen, weil bei ihnen Politiker mit Vorstrafen nicht zugelassen sind (zu viele dreckige Geschäfte in der Vergangenheit), man aber ziemlich schnell eine bekommt, z. B. wenn man ohne Genehmigung Essen bei einer Wahlkampfveranstaltung ausschenkt. Das führt dann dazu, dass viele aus dem Parlament fliegen. Nun würden aber die, die dafür plädieren, diese Vorstrafenreglung wieder abzuschaffen, natürlich ziemlich blöd dastehen. Verzwickt! In Deutschland ist es jedenfalls erlaubt und der ein oder andere Politiker hat auch keine so ganz weiße Weste. Dafür habe ich nun ein für alle Mal verstanden, was es mit Direktmandaten und Landeslisten auf sich hat und wie das alles zu stande kommt. Endlich! Auch wenn das nicht gerade für mich spricht. Freue mich aber schon in vier Jahren mein neues Wissen anwenden zu können.

Abends habe ich mich mit Julia, Jessika und Michael getroffen, die auch hier Praktika machen. Es tut wirklich gut mit Leuten zu sprechen, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben, wie man selbst. Auf dem Weg nach Itaewon, wo wir uns getroffen haben, hatte ich einen kleinen Tiefpunkt. Obwohl ich eigentlich recht fit bin, schlägt der Jetlag ab und an zu und macht mich plötzlich totmüde. Außerdem fühlte ich mich auf eine komische Art und Weise isoliert. Die Koreaner sind wirklich nett, aber manchmal ist es, wie gegen eine Wand zu rennen. Man weiß nicht, ob sie einen verstehen, sie reden so leise und schüchtern und aus irgendeinem Grund möchte man sie packen und ein wenig schütteln, obwohl sie einem nichts getan haben. Das scheint nicht nur mir so zu gehen – ein Glück, ich hielt mich schon für unnmöglich. Dazu kommt die Unsicherheit, wenn irgendwo nur Zeichen stehen, auf die man sich keinen Reim machen kann. Der merkwürdige Geruch an jeder zweiten Straßenecke. Und aus jedem Handyladen kommt laute, nervtötende Musik. Meine Medikation war zu Starbucks zu gehen, einen geliebten Käsekuchen zu essen und mal eineinhalb Stunden bei klassischer Musik abzuschalten. Interessant wie Dinge, die man in der Heimat meidet, im Ausland zu vertrauten Rückzugsorten werden können. Demnächst fange ich noch an zur Beruhigung Schlager zu hören und Haxen zu essen!

Mittlerweile habe ich nicht mehr das Bedürfnis jeden Ausländer, den ich sehe, anzusprechen und ihn zu fragen, ob er was mit mir unternehmen will. In Sinchon, wo ich wohne, gibt es ja fast keine Ausländer, so dass jede Sichtung ein Highlight ist. In Itaewon dagegen gibt es einige – das kommt mir schon fast wieder falsch und unauthentisch vor. Mir kann man es auch nicht recht machen! Von Itaewon habe ich zwar noch nicht furchtbar viel gesehen, außer der Hauptstraße, dem Starbucks, dem Handyladen und einer Bar, in der wir waren (vieeeel zu touristisch! ☺). Trotzdem behaupte ich schon mal, dass mir Sinchon besser gefällt. Laut meinen Kollegen ist Itaewon auch nicht „das richtige Korea“. Ich werde dem Viertel heute Abend aber noch mal eine Chance geben – bin dort zum was Trinken gehen verabredet.

Mein neues koreanisches Handy ist ein echter Hit. Es ist ganz edel in weiß-silber und hat viele tolle Sounds.. Unangenehme Situation: Auf dem Rückweg in der Bahn wollte ich es direkt ausprobieren und habe erstmal eine SMS nach der nächsten bekommen. Jedes Mal ein Heidengetöse und Vibrieren und ich wusste nicht, wie man das ausstellt. Mittlerweile habe ich es aber unter Kontrolle. Wer mich dringend anrufen muss, erreicht mich unter +82 10 3146 2525. Der Handytyp hatte uns zuerst ein paar winzig kleine Handys von Motorola angeboten, vielleicht so drei mal sechs Zentimeter groß. Werden wohl exklusiv für den koreanischen Markt produziert. Wir haben dankend abgelehnt.

Heute morgen habe zum zweiten mal Reis zum Frühstück gegessen. Dazu ein wenig Ei. Ihr kennt meine Essgewohnheiten, für mich ist das sicherlich weniger schlimm, als für andere Leute. Aber ein bisschen Überwindung kostet es schon um halb acht morgens, wenn einem vielleicht mal grad nach einem Marmeladenbrot ist, die Reisschale zu füllen. Die Hasook-Frau wollte mir noch ominöse eingelegte Dinge andrehen, aber das konnte ich ausschlagen. Wir beiden verstehen uns immer besser – oder zumindest bilde ich mir das ein. Heute werde ich mir trotzdem mal ein paar Cornflakes kaufen (schon wieder: Ich esse zu Hause eigentlich gar keine Cornflakes!) – man kann die Koreanisierung ja in kleinen Schritten durchführen. Mittags bin ich ja auch voll dabei – gestern hatte ich Nudelsuppe, heute eine Art Maultaschen. Dazu gibts immer eingelegten Rettich und Kim Chi (scharf eingelegten Chinakohl). Ist mir zwar ein wenig zu scharf alles, aber essenstechnisch bin ich hier schon ganz richtig, denke ich. Und kleidungstechnisch auch. Wär ich ein Typ, würde ich mich wohl in die ein oder andere Koreanerin verlieben – irgendwie haben die sowas Filigranes an sich und ziehen sich noch dazu – größtenteils – so schön an. (Das würde natürlich nicht gut gehen. Käme sicherlich nicht so toll, wenn ich meine Freundin ständig schütteln würde!)

Unpraktischerweise ist das MS-Office im Büro auf koreanisch. Was mich ein wenig schockiert: Ich kann trotzdem einigermaßen damit umgehen. Obwohl überall kryptische Zeichen stehen, finde ich die richtigen Schaltflächen, weil ich schon so oft darauf geklickt habe, dass das vollkommen automatisiert ist. Windows hat die Kontrolle über mich!

Mein neuer Auftrag ist es, eine Präsentation über „Green Growth in Germany“ zu erstellen. Bei den Koreanern ist das gerade DAS politische Schlagwort und sie wollen gerne so schnell wie möglich das ein oder andere Umweltthema anpacken, wohl auch um wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen (Green Growth). Ich selber finde die Thematik ebenfalls sehr spannend: Umwelt, Nachhaltigkeit, Innovationen und Wachstum – wie das alles zusammen passt und uns schließlich nicht nur aus der Krise führen, sondern auch noch die Welt retten wird. Außerdem wie man durch strategischen Konsum seinen eigenen Beitrag dazu leisten kann, dass es in die richtige Richtung geht. Kann sein, dass ich dazu noch mal was schreiben werde – der Öko in mir ist auf jeden Fall geweckt!

Schließlich noch ein paar Worte zu meiner Badezimmersituation: Uag. Wie ihr vielleicht auf den Bildern gesehen habt, ist das Badezimmer ein gekachelter Raum, in dem eine Toilette steht und in dem sich ein Duschkopf befindet (ohne Duschhalterung, aber das bin ich ja zum Glück aus Köln gewohnt). Kein Waschbecken. Keine Trennwand oder Vorhang. Das bedeutet: Wenn jemand duscht, ist der ganze Raum nass. Händewaschen geht nur unter dem Duschhahn. Nach dem Zähneputzen in die Hocke gehen und in den Abfluss spucken. Also Lydia, im Nachhinein gibt es keinen Grund, sich über den Condillac zu beschweren! Wobei ich immerhin ziemlich schnell warmes Wasser habe. Den anderen geht es allerdings ähnlich – offensichtlich sind solche Badezimmer hier üblich.

Macht keinen Quatsch!
Judith

PS: Mysteriös: Keine Mülleimer (nervig!!!), aber trotzdem saubere Straßen.
PPS: Doof: Nach dem Essen geht es schnurstracks wieder an die Arbeit. Ich bin nachmittags jedoch unfähig etwas zu tun: Zu allgemeiner Müdigkeit nach dem Essen gesellt sich der Jetlag. Unproduktive Deutsche!
PPPS: Eklig: Toilettenpapier scheint nicht ins Klo, sondern in einen Mülleimer daneben geworfen zu werden. Erst war es nur eine Vermutung von mir, aber der Verdacht verhärtet sich!

3 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

wir sind schon süchtig nach deinen erlebnissen!

mama und lola

steff hat gesagt…

wirklich, sehr erheiternd! ;)
Fühl dich geknuddelt!
Und schreib weiter fleißig über deine absurden Erlebnisse! :-*

vergiss nicht, uns über strategischen Konsum zu informieren!

Jörg hat gesagt…

1. Die Maultaschensuppe ist super: Manduguk, ein Traum!
2. Hast du schon Samjopsal probiert? Also der Speck auf dem Grill?
3. zu PPPS...wiederlich aber wahr.