Freitag, 19. August 2011

Drei Tage lang keine Sorgen in Haldern

„In Haldern haben die Menschen sicherlich keine Sorgen.“ Davon ist M. fest überzeugt. Und wie sollten sie denn auch, umgeben von Wiesen und Kühen und hübschen Häuschen? (Und natürlich mit dem Doppeladler im Dorf.) Einmal im Jahr können dann auch alle anderen in den Genuss kommen, in Haldern keine Sorgen zu haben: Auf dem Haldern Pop Festival, dem mit Sicherheit nettesten Festival der Welt. (Mal abgesehen von der Sorge, dass einem einer der gefühlten tausend Ohrenkneifer, die das Zelt bevölkern, in die Ohren kriecht. Dass die das tatsächlich machen, ist nämlich nicht nur ein Gerücht!) Selbst wenn dieses Jahr das eher ungemütliche Wetter das Schwimmen im See unmöglich machte, der Regen uns ab und an unter den Pavillon zwang und das Line-Up mir ein klein wenig zu folkig-lahm war, waren es doch wieder drei Tage voller Freude, Freunde und vor allem schöner Musik.

Los ging es am Donnerstagnachmittag in der Dorfkirche mit den Isbells und Moddi. Beide Bands machen eigentlich sehr hübsche Songs, mit viel Herz und Gefühl, aber für mich waren sie an dem Tag einfach zu ruhig und vor allem Moddi fand ich eher eintönig als wie alle anderen elegisch-ergreifend. Das höre ich mir gerne zu Hause bei Kerzenschein und Wein an, aber live muss es nicht unbedingt sein. Gut, dass die Kirchenbänke so unbequem waren, sonst wäre ich sicherlich eingeschlafen! (Mal im Ernst, was denken die Katholiken eigentlich, wie man sich da hinsetzten soll? Ständig sind diese Kniebänkchen im Weg. Das hat doch Methode!)

Zum Glück sollte das jedoch die einzige Nah-Schlaf-Erfahrung des Festivals bleiben. Die Toy Horses aus England brachten uns und vor allem auch einen etwas beleibten Kameramann in der Haldern Pop Bar ordentlich zum Tanzen. Sogar sein Bauch wippte mit, als er rhythmisch auf und ab sprang. Aber verübeln kann man ihm nicht, dass er die Videoaufnahmen damit vermutlich versaut hat, denn Stillstehen ist bei den Toy Horses tatsächlich unmöglich. Ein bisschen Beatles, ein bisschen Ben Folds, ein bisschen Britpoprock und eine furchtbar sympathische Ausstrahlung zeichnen diese Band aus. So verließen wir äußerst beschwingt und ein wenig verschwitzt das Dorf wieder in Richtung Zeltplatz, nachdem gefühlt zum hundertsten Mal ein Heuwagen über die Hauptstraße gefahren war – sicherlich extra angeheuert um die Idylle zu komplettieren.

Der Freitag fing mit Bodi Bill im Spiegelzelt an. Genau die Musik, die ich die ganze Nacht lang im Club hören könnte! Elektronisch, gute Beats, ein wenig dramatisch. Nicht mal die unbequemen Gummistiefel hielten uns vom wüsten Tanzen ab. Später war es dann unterm Pavillon so gemütlich und lustig, dass ich erst wieder zu Okkervil River zur Bühne gehen konnte. Die hatten mir auf CD ziemlich gut gefallen, live haben sie allerdings keinen besonderen Eindruck hinterlassen und mich weder enttäuscht noch wirklich begeistert. Zum Abschluss meines Abends legte der Gitarrist der Wombats auf der Bühne einen Halbmarathon hin und auch der restliche Auftritt der Engländer war recht energiegeladen. Da ich das aktuelle Album der Wombats ziemlich gelungen finde, wäre es aber auch echt schwer gewesen das Konzert zu versauen.

Am Samstag stand als erstes Alex Winston auf dem Programm, deren Band-Jungs aussehen wie aus dem Weekday-Katalog gecastet. Aber ich habe ja absolut nichts gegen hübsche Musiker und poppige Melodien! Die Frau bietet auf jeden Fall eine Gute-Laune- und Mitsing-Garantie. Trotz einsetzendem Regen wollten wir danach unbedingt James Blake sehen. Tanzen war bei ihm nicht so angesagt, stattdessen habe ich mit geschlossenen Augen dagestanden, ein bisschen mitgewippt und den Bass gefühlt. Wirklich ein faszinierender Typ, der James (der Moppkopp :-)), mit seinen zurückhaltenden, eindringlichen, vielschichtigen Songs! Sehr beeindruckend und wunderschön.

Anschließend wurde ich von LaBrassBanda wieder aufgeweckt. Die Jungs machen irgendwas zwischen Ska und bayrischem Rap mit vielen Blasinstrumenten. Nichts, was ich mir auf Platte anhören würde, aber live a mords Gaudi! Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so auf einem Konzert gelacht habe. Aber ich könnte ja ohnehin den ganzen Tag lang zuhören, wie jemand auf bayrisch daherredet! Sollte diese Band irgendwann mal in der Nähe spielen: hingehen!

Da wir ohnehin schon vor der Bühne standen, haben wir dann gleich auch noch Wir sind Helden mitgenommen. Mehr die Helden meiner Jugend als meine aktuellen Favourites, habe ich nicht besonders viel erwartet. Deswegen hat es wahrscheinlich auch so viel Spaß gemacht im Regen und Matsch ganz tief in die Dance-Move-Kiste zu greifen und lauthals mitzusingen. Irgendwie auch eine Leistung ein Lied wie „Denkmal“ zu schreiben, das alle mitgröhlen können. (Ein bisschen wie Karneval.) Meine letzte Haldern-Band waren schließlich die Fleet Foxes. Na ja, was soll ich sagen, die sind sicherlich ein echter Knaller, wenn man auf Folk steht, aber ich fand sie langweilig. Dafür konnten S. und ich unsere Fertigkeiten im Fingertanz unter Beweis stellen.

Weniger erfreulich war, dass am Abreisetag, nachdem es die ganze Nacht und während des Abbaus geregnet hatte, auch noch unser Auto nicht ansprang. Stundenlang frierend, in nassen Klamotten auf den Pannendienst zu warten ist wahrlich kein Spaß! Trotzdem freue ich mich schon jetzt wieder auf nächstes Jahr. Hoffentlich mit einem etwas flotteren Line-Up und vor allem mehr Sonnenschein, aber auf jeden Fall wieder mit der gleichen Haldern-Crew! Vielen Dank! Mit euch würde ich auch aufs Wacken gehen!

An folgenden Tagen zeigt der WDR Ausschnitte der Konzerte vom Haldern: 21.08. (00:40 Uhr), 22.08. (00:15 Uhr) und 27.08. (00:45). Die Zeiten sind natürlich unmöglich, aber es lohnt sich sicherlich!