Mittwoch, 18. November 2009

Off Topic Korea: Bildungsstreik – Was würde ich tun?

Ich habe mich über die Handzettel zum Studiengebührenboykott lustig gemacht. Ich finde die gnadenlos übertriebenen Formulierungen und Forderungen der Juso-Hochschulgruppe lächerlich. Ich habe die Studenten ausgelacht, die mit Kochlöffeln auf Bratpfannen geschlagen und vor der Uni: „Das ist unser Haus! Das ist unser Haus!“ skandiert haben. Diese Formen von Protest und Aktionismus sind nicht meins.

Doch wenn ich gestern in Köln gewesen wäre, wäre ich wohl mitgegangen. Denn im stillen Kämmerlein eine schöne, differenzierte Meinung und Sicht auf die Dinge zu haben, bringt leider niemanden weiter. Nur zu protestieren, durch die Stadt zu laufen, sich ein paar pseudo-witzige Aktionen auszudenken (die Bildung zu Grabe tragen und so) und die Uni zu besetzen, führt sicherlich auch nicht zu besserer Bildungspolitik, aber es sorgt zumindest für Aufmerksamkeit. Bis ich meine Pläne für mehr politisches Engagement in die Tat umsetze, möchte ich zumindest schon mal zeigen, dass ich mit der Richtung, in die die Bildung in Deutschland geht, nicht einverstanden bin. Heißt ja nicht gleich, dass ich „Gegen die Ausrichtung der Bildung nach kapitalistischer Verwertungslogik" oder Ähnliches auf mein Plakat schreiben muss.

Was passt mir denn nicht? Ein Hauptthema ist natürlich der Bachelor. Dazu habe ich mir im Januar schon mal Gedanken gemacht:

„Vielleicht sollte man sich zunächst einmal fragen wozu das Studium eigentlich da ist? Um uns perfekt auf das Arbeitsleben vorzubereiten, uns das nötige Wissen zu vermitteln und unsere Leistungsfähigkeit zu verbessern? Sicherlich. Und das sollte möglichst effizient geschehen. Aber bedeutet das, dass man um jeden Preis die Studienzeiten verkürzen und den Leistungsdruck erhöhen muss? Sicherlich nicht. Denn meiner Ansicht nach hat das Studium auch noch einen anderen wichtigen Zweck: Die Persönlichkeit zu formen, den Horizont zu erweitern und wichtige Erfahrungen zu sammeln. Wann haben wir je wieder die Zeit dafür Dinge auszuprobieren?

Ich lebe in einer Stadt mit einem großen kulturellen Angebot. Warum gehe ich nicht öfter ins Museum, besuche Konzerte oder das Theater? Ich weiß es nicht. Aber ich arbeite daran, das zu ändern. Und das sollte ich auch. Nicht umsonst haben sich jahrhundertelang große Köpfe große Gedanken gemacht und große Werke geschaffen, die schließlich so große Berühmtheit erlangt haben. Nur wenn wir uns immer wieder neue Denkanstöße holen, können wir sicherstellen, dass wir flexibel und kreativ bleiben. Es ist von großem Nutzen, wenn ich lerne die Welt wirtschaftlich zu betrachten, aber ich sollte in der Lage bleiben alles, was ich lerne auch mal zu hinterfragen. Denn so kann ich Fehler erkennen und vermeiden und Innovationen ermöglichen. Auch später im Job.

Was also soll es bringen, wenn die Studenten in drei Jahren Bachelorstudium die Fakten um die Ohren gehauen bekommen, an die Schreibtische gezwungen werden und so nicht die Möglichkeit haben mal links und rechts zu schauen? Natürlich sollten deutsche Studenten konkurrenzfähig sein und was im Ausland geht müsste doch auch bei uns möglich sein. Aber mit Mitarbeitern, die lediglich gewohnt sind zu arbeiten wie die Blöden und dann abzurufen, was man ihnen beigebracht hat, ist nun auch keinem Unternehmen geholfen, wenn sie nicht in der Lage sind ihren eigenen Kopf einzuschalten, auf vorhergegangene Erfahrungen zurückzugreifen und mit flexiblen Lösungsideen aufzuwarten. Ich bin froh, dass unsere Gesellschaft auf anderen Werten basiert, als beispielsweise die chinesische Gesellschaft und hoffe, dass diese Werte auch in der Wirtschaft weiterhin eine Rolle spielen werden.“

Und natürlich geht es auch um die Finanzierung des Studiums. Meine Eltern können mich finanziell soweit unterstützen, dass es für mich reicht 30 bis 40 Stunden im Monat zu arbeiten, um gut zu leben. Ich bin auch gerne bereit für meine Bildung zu zahlen. Andere Kinder haben nicht das Glück. Diesen sollte durch Stipendien ebenfalls ein Studium ermöglicht werden. Darum sollte die Politik sich kümmern und nicht beschließen Stipendien lediglich für besonders gute Schüler einzurichten, denn die sind oftmals finanziell ohnehin schon besser gestellt. (Die Forderung, die finanziell schwächeren Leute sollten halt einen Kredit aufnehmen, halte ich aus dem Mund von Leuten, die nicht in der gleichen Situation sind, übrigens für unangebracht und höhnisch. Ich täte mich damit auch schwer.)

Schließlich sind da noch die Studienbedingungen. An der Wiso-Fakultät in Köln sind die für Diplomer eigentlich ganz in Ordnung. Die Vorlesungen im Grundstudium waren zwar anfangs oft etwas zu voll, aber immerhin haben wir genügend Prüfungstermine und wer Prüfungen ablegen will oder muss, kann das auch. Das ist an anderen Fakultäten nicht der Fall. Wenn trotz Studiengebühren nicht genügend Seminarplätze da sind und die Organisation katastrophal unübersichtlich ist, dann würde mich das auch fuchsig machen und auf die Straße treiben.

Ich bin gespannt wie es weiter geht. Bisher Zustimmung von Seiten der Politik und den Hochschulen zu den Protesten. Natürlich irgendwie unglaubwürdig. Nein, ich denke nicht, dass sich da wirklich etwas bewegen wird. Ich weiß auch noch nicht, was ich tun kann, um etwas zu ändern. Aber ich werde versuchen, diese Ohnmacht nicht in Apathie resultieren zu lassen. (Unter dem Titel „Wie man Studenten apathisch macht“ hier ein guter Artikel der Zeit.)

Was Witziges am Rande: Neulich stieß ich im StudiVZ auf eine Gruppe, in der dazu aufgerufen wurde, sich als BWLer und Juristen zu verkleiden, über den Campus zu laufen und „Bildung nur für Reiche – Armut find ich scheiße“ zu rufen. Und in einem Artikel habe ich auch heute gelesen, dass sich Studenten in irgendeiner Stadt in Schale geschmissen haben, um auf ähnlich pseudo satirische Weise gegen Studiengebühren zu protestieren. Und dann gestern dieser (arrogante) Aufruf auf Facebook: „Flashmob Idee für BWLer und Juristen: Mit großen Polo-Pferdchen-Schildern zum Bildungsstreik. Dazu Zigarren und Whiskey. Wer ist dabei?“

Wie soll man da noch wissen, wer Freund und wer Feind ist?

7 Kommentare:

Andreas hat gesagt…

#like!

hoffen wir mal das gewisse leute deinen blog nicht lesen ;)

Judith hat gesagt…

Da ich gewissen Leuten mitgeteilt habe, dass ich über sie geschrieben habe, ist es wohl recht wahrscheinlich, dass sie es lesen werden :-).

Andreas hat gesagt…

das habe ich auch gerade gesehen ;)

Jörg hat gesagt…

und die gewissen Leute haben kein Problem mit anderen Meinungen. Allerdings sollte man Satire nicht überbewerten.

Zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema empfehle ich die Lektüre meines FB Kommentars!

oh hat gesagt…

Danke Judith!

Übrigens. Wehe du schreibst back in Kölle wieder weniger, setz' ich dich direkt wieder ins Flugzeug und es gibt weiter Reis. ;-)

Judith hat gesagt…

Petition klingt gut. Da bin ich bei ;-).

Spocky hat gesagt…

Gut, dass meine Studienzeit längst vorbei ist. Das sind vielleicht Zustände! :-(( Dieser Zeit-Artikel ist schon Beispiel genug!