Mittwoch, 14. Oktober 2009

Off Topic Korea: Ich bin ein Öko. Das ist okay.

Als Kind hatte ich ein Umweltbuch, in dem es ein Bewertungssystem mit Walen gab. Irgendeine Farbcodierung zeigte – glaube ich – an, wie umweltverträglich gewisse Dinge sind. Meine Erinnerung ist lückenhaft, aber dieses Buch hat mich nachhaltig geprägt. Nach der Lektüre versank ich in tiefe Bestürzung darüber, wie viel Wasser wir verbrauchen und wie sehr Kraftwerke die Luft verschmutzen. Seit dem war es mir unmöglich beim Zähneputzen das Wasser laufen zu lassen und ich schaltete immer das Licht aus, wenn ich einen Raum verließ. Um die Umwelt nicht noch mehr zu verschmutzen, warf ich auch niemals etwas auf den Boden. Ernsthaft, nie. Der Gedanke an Radioaktivität ließ mir Schauer über den Rücken laufen. Als Kind war ich ein richtiger Öko.

Mit zunehmendem Alter wurde es schlimmer. Zur Lektüre des Walbuchs kam nun die Lektüre der Bravo. Dort gab es immer herzzereißende Berichte über Tiertransporte zu Schlachthöfen, natürlich ausführlich bebildert. Als gutes Pferdemädchen konnte ich das nicht ertragen. Ich wurde Vegetarierin. Was besonders hart war, da ich Fleisch liebe. Doch damals hatte ich noch Ideale und war bereit für meine Überzeugungen zu darben.

Vielleicht war der erste Bissen Fleisch nach mehrmonatiger Abstinenz wie Evas Biss in den Apfel. Ich verlor meine Unschuld. Ich fing an Ökos zu verlachen. Vegetarier waren in meinen Augen freudlose, blasse Gestalten, die sich und anderen das Leben schwer machen. Ich ließ mich von rein wirtschaftlichen Argumenten leiten. Möglicherweise weil ich das Gefühl hatte, dass es zu viel Schlechtes auf der Welt gibt, wie Kinderarbeit, Regenwaldrodung und besagte Tiertransporte, als dass ich dagegen hätte etwas ausrichten können, beschloss ich einfach alles zu ignorieren. Mein schlechtes Gewissen wird sehr schnell auf den Plan gerufen. Um nicht darunter zu leiden, blendete ich alles aus und aß und konsumierte völlig gedankenlos. Ich ging sogar so weit, dass ich mich davon überzeugen ließ, dass Atomkraft als Brückentechnologie durchaus sinnvoll ist. (Nur bei Zahnputzwasser, Lichtausschaltung und Müllwurf blieb ich standhaft.)

Was passierte dann?

Ich fing an das Thema „Green Growth in Germany“ zu recherchieren. Ich stieß auf erneuerbare Energien, innovative Produktionstechnologien, grüne Landwirtschaft und nachhaltiges Wachstum. Auf den Club of Rome und Utopia. Und ich war begeistert. Ich war angesteckt.

Manchmal benötigt man einen Impuls, der das Denken in neue Richtungen lenkt. Das bedeutet nicht, dass ich von jetzt auf gleich alle meine bisherigen Überzeugungen über Bord werfe, Veganer werde, nur noch im Biosupermarkt einkaufe und ausschließlich fair gehandelten Organic Cotton trage. Dazu esse ich erstens zu gerne Fleisch und zweitens habe ich zu wenig Geld. Aber ich kann tun was in meinen Möglichkeiten liegt. Stichwort Strategischer Konsum. War es nicht so, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt? Heutzutage ist es möglich, sich über Hersteller, Produktionsmethoden und Inhaltsstoffe zu informieren (z. B. auf Utopia) und dementsprechend seine Kaufentscheidung zu treffen. Muss natürlich nicht immer sein, aber ab und zu sollte man sich das leisten. Und vielleicht auch ein wenig leiden, weil man dafür ein bisschen mehr bezahlen oder auf etwas verzichten muss.

Das gleiche gilt für Energie. Vielleicht wird Strom teurer, wenn Atomkraftwerke abgeschaltet werden, vielleicht auch nicht. Zu viele Experten haben zu unterschiedliche Ansichten darüber, als dass ich irgendwem wirklich glauben könnte. Ich weiß nur, dass mir der Gedanke an Radioaktivität immer noch Schauer über den Rücken laufen lässt. Und dass wir nicht wissen, wie wir Atommüll sicher lagern, geschweige denn abbauen können. Wie man Offshore-Windparks oder Solaranlagen in Wüsten baut, wissen wir jedoch. Und was für einen Sinn hat es, in neue Technologien für Atomkraftwerke zu investieren, wenn erneuerbare Energien langfristig einfach die bessere Wahl sind?

Mein schlechtes Gewissen einfach auszublenden funktioniert nicht, dadurch geht es mir nur oberflächlich besser. Mir vorzunehmen etwas zu tun, hilft schon mehr. Und die Perspektive möglicherweise später mal mein Geld damit verdienen zu können, mich für eine „bessere Welt“ (ja, pathetisch, ich weiß) einzusetzen, gibt mir neue Energie für die Zukunft. BWL muss nicht oberflächlich und rein wirtschaftlich sein. BWL kann mehr.

Jetzt heißt es dran bleiben und die guten Vorsätze in die Tat umsetzen. (Vielleicht sollte ich damit beginnen mich mal fragen, wie 2-Euro-T-Shirts in Korea zustande kommen und ob ich sie wirklich kaufen sollte.) Ich werde berichten wie ich mich mache.

6 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

was ich hier alles über dich lerne...das mit dem walbuch ist ganz neu für mich...was war das bloß für ein buch? gehörte dir das?

oh hat gesagt…

...deswegen habe ich mich auch als armer Student dazu entschlossen Biostrom zu nehmen und nicht den "billigen gelben" aus Frankreich.

Überigens ein sehr schöner Artikel hier von dir (genau wie die anderen) ...und bevor hier jemand was sagt: ich schleime nicht ich meine das so!

Unknown hat gesagt…

Schon mal gewundert woher der ganze Ökostrom kommt, wenn der Wind nicht weht und somit die größten EE-Produzenten in Deutschland ausfallen? - Richtig von konventionellen Kraftwerken. Auch mit dabei: Die böse Kernenergie die ja so unbedingt vermieden werden soll. Wie das funktionert? - Ganz einfach ein Biostromanbieter muss nur mit sogenannten Renewable Energy Certificates nachweisen, dass irgendwer irgendwo in Europa Biostrom Produziert oder in einem bestimmten Zeitraum produziert Menge hat. Der Biostrom selbst wird zu im Land üblichen Bedingungen verkauft und der Zertifikathandel kommt dann oben drauf. Allerdings gibt es wesentlich mehr Zertifikate als Nachfrage nach diesen. Daher bewegt sich der Zertifikatspreis im Bereich von 0.05 ct pro kWh. (Zur Erinnerung: der Haushaltspreis von Strom liegt bei etwa 20 ct pro kWh) Lange Rede kurzer Sinn: Biostrom ist eher was fürs Gewissen als für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Judith hat gesagt…

Gut zu wissen. Aber was ist dann eine geeignete Maßnahmen um EE zu fördern? Nur Solarzellen auf dem eigenen Dach o. ä.? Mit dem Wechsel zum Ökostromanbieter gibt man doch auch ein Signal ab.

Dass wir Atomkraftwerke nicht einfach von jetzt auf gleich abschalten können, ist mir klar. Und dass wir uns nicht immer auf Wind und Sonne in Deutschland verlassen können auch. Aber es gibt ja auch noch andere Energiequellen und andere Länder und ich finde einfach, dass langfristig betrachtet Investitionen in EE deutlich sinnvoller sind. (Vielleicht teurer, dass kann ich ja definitiv nicht beurteilen, aber einfach aus meiner Überzeugung heraus richtiger.)

Ich hab lustigerweise erst gestern gesehen, dass du am energiewirtschaftlichen Institut arbeitest, als ich mich mal darüber informiert habe (oder hätte ich das schon vorher wissen müssen? ;-)). Wir können und gerne mal ausführlicher über das Thema unterhalten, da ich ja eine Menge nicht weiß.

Unknown hat gesagt…

Grundsätzlich hast du mit der Signalwirkung natürlich recht. Und es geht ja auch in die richtige Richtung einen Markt für so etwas wie Biostrom aufzubauen. Allerdings müssten die Marktteilnehmer sich dafür eben auch informieren was sie da kaufen. Und da ich jetzt schon häufiger mit Leuten geredet habe, die mir mit einem Glanz in den Augen geschildert haben, wie sie Biostrom beziehen (und damit noch gegenüber dem normalen Rhein Energie Tarif sparen!!!). Dann aber auf Nachfrage keine Ahnung hatten was sie da eigentlich beziehen. Werde ich bei dem Thema manchmal doch ein bisschen polemisch.
Um ehrlich zu sein habe ich mich noch nie sonderlich dafür interessiert, wie man EE-Strom persönlich fördern kann. Daher kann ich dir da leider nicht wirklich weiterhelfen. Ich denke dieses Problem ist so global, dass man individuell eher durch meinungsbildung und -äußerung als durch realwirtschaftliche Taten was tun kann.
Was den Klimaschutz angeht führt "CO2 bewusstes" Verhalten interessanterweise, wenn die Klimagase sonst in Europa ausgestoßen würden, nicht zu einer Reduktion des Gesamtausstoßes, sondern Subventioniert nur die "nicht Ökos". Da der Ausstoß auf Grund von EU Recht gecapt ist, führt Förderung von EE-Strom zu einer Reduktion der Preise für CO2 Zertifikate und andere CO2 Vermeidungsstrategien werden durch die individuellen verdrängt. Da aber diese individuell durch die "Ökos" getragen werden, reduzieren sich unterm Strich die Kosten für die nicht Ökos.
Also wenn du individuell was tuen möchtest, dann am besten irgendwo ausserhalb von Europa. (Allerdings nicht in CDM-Projekte, denn da werden ja wieder CO2 Zertifikate in der EU gutgeschrieben ;-))

Andreas hat gesagt…

bin auch öko geworden!